Dimension: Geschichte des Rassismus

„Seit dem 17. Jahrhundert teilen Menschen andere Menschen in ‘Rassen‘ ein. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus in Europa eine pseudowissenschaftliche Rassen­lehre, die im 20. Jahrhundert schrecklichste Konsequenzen hatte. Dieser historische Überblick zeichnet die Entstehungsgeschichte nach und führt auch in moderne Formen der Ideologie des Rassismus ein.

Das europäische 18. Jahrhundert spielt in der Geschichte des Rassismus eine wichtige Rolle. In den vorangegangenen Jahrhunderten war von Europa das groß angelegte koloniale Projekt ausgegangen, das weite Teile der Welt und die dort lebenden Bevölkerungen unterwarf und anschließend ausbeutete. In diesem Zusammenhang nahm in Europa das Wissen über andere Teile der Welt rasant zu. Zu dessen Ordnung etablierten sich naturwissenschaftliche Klassifizierungen der belebten und unbelebten Welt. […]

Schon bald hatte die Verbreitung des Rassenkonzepts konkrete gesellschaftliche Auswir­kungen sowohl in West- und Mitteleuropa als auch in den durch europäische Staaten koloni­sierten außereuropäischen Gebieten. Durch Rassismus wurden Rechtfertigungen für Unter­werfung, Ausbeutung, Abwertung und Versklavung gesucht und gefunden. Die religiös be­gründete Judenfeindschaft (christlicher Antijudaismus) transformierte sich so im 19. Jahrhun­dert in den modernen Rassen-Antisemitismus, der sich auch gegen die eben erfolgte Gleich­berechtigung richtete. Alte Vorurteile gegen ‘barbarische‘ und ‘heidnische‘ Nicht-Europäer wurden neu durch die Vorstellung ‘rassischer‘ Hierarchien gestützt, die schon die von Europa ausgehende imperialistische Expansion und die Unterdrückungspraktiken in den Kolonien le­gitimiert hatte und nun aufrechterhalten werden sollte. Auch die Diskriminierung von Sinti und Roma sowie negative Wahrnehmungen in Mittel- und Westeuropa etwa von Polen, Russen und Südosteuropäern wurden im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend rassistisch aufge­laden. […]

Die beinahe allgegenwärtige Präsenz des Rassenkonzeptes hatte verschiedene Konse­quen­zen. Erstens ließ sie eine rassistische Pseudo-Wissenschaft entstehen, die die Existenz menschlicher ‘Rassen‘ und deren Ungleichheit empirisch nachzuweisen trachtete. […] Zweitens führte die Vorstellung ‘rassischer‘ Hierarchien und ‘Überlebenskämpfe‘ im Verbund mit nationalistischen Vorstellungen ethnisch ‘reiner‘ Nationalstaaten zu einer Vielzahl von Gewalt­aktionen, die von Vertreibungen bis hin zum Völkermord reichten. Schauplätze waren im 19. und frühen 20. Jahrhundert insbesondere die kolonisierten Gebiete außerhalb von Europa und der südosteuropäische Raum. Die Ausbreitung der angelsächsischen Siedler­kolonien in Nordamerika und Ozeanien vollzog sich um den Preis der fast vollständigen Aus­rottung der indigenen Bevölkerungen durch Krankheiten, aber auch Massaker und Entzug der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen, gefolgt von Ausgrenzung in Reservaten und Versuchen gewaltsamer Assimilation. Eine weitere Form ‘säubernder‘ Gewalt entfaltete sich in den welt­weiten Besitzungen der Kolonialmächte um 1900. Neben den bisher existierenden Praktiken der Aufstandsbekämpfung wurden durch die Spanier auf Kuba, die Briten in Südafrika, die Amerikaner auf den Philippinen und die Deutschen in ihren afrikanischen Kolonien nun große Teile der Bevölkerung deportiert, in Konzentrationslagern gefangen gehalten und ermordet. Der Vernich-

tungskrieg gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika (1904-1908), den die deutsche Seite als ‘Rassenkampf‘ betrachtete und bei dem durch Kriegshandlungen, Aus­hungerung und in Zwangsarbeitslagern rund 100.000 Menschen getötet wurden, wird von der heutigen Forschung und seit neuestem auch von der Bundesregierung als Völkermord be­trachtet. Bei der Niederschlagung der ostafrikanischen Maji-Maji-Rebellion (1905-1907) setz­ten die deutschen Truppen auf eine Strategie der verbrannten Erde, der etwa 180.000 Men­schen zum Opfer fielen. In Südosteuropa waren die nationalen Befreiungsbewegungen der Serben, Griechen und Bulgaren gegen die Osmanen im 19. Jahrhundert sowie die beiden Balkankriege 1912/13 stets von umfangreichen Vertreibungen begleitet, die insbesondere, aber keineswegs ausschließlich, Türken und andere Muslime betrafen. Während des Ersten Weltkrieges kam es dann im Osmanischen Reich zu Verfolgungen der armenischen, griechi­schen, jüdischen, aramäischen und assyrischen Minderheiten, die im Fall der Armenier bis zum Völkermord reichten. […]“

Arbeitsauftrag

Fasst die Inhalte des Textes im Gespräch zusammen und notiert eure Ergebnisse auf diesem Arbeitsblatt. Die Notizen helfen euch bei der Präsentation.

  1. Arbeitet heraus, woher der Begriff Rassismus kommt.
  2. Beschreibt, worum es geht, wenn von Rassismus die Rede ist.
  3. Erläutert die globalen Auswirkungen der „Rassenkonzepte“.

Notiert euch offene Fragen zu den Inhalten des Textes, die ihr vielleicht mit den anderen Schüler*innen diskutieren möchtet.

Quelle

Die Textausschnitte sind folgender Quelle entnommen:

Christian Koller. „Was ist eigentlich Rassismus?“, https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/213678/was-ist-eigentlich-rassismus, zuletzt geprüft am 7. Oktober 2022.