Verfasser und Adressat des Briefes

Verfasser

 

Einstein und seine Auswanderung

Bei der Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler war Albert Einstein 53 Jahre alt. Wie schon in den Jahren zuvor, hatte er Anfang Dezember 1932 Deutschland für einen mehr­monatigen Forschungsaufenthalt in Kalifornien verlassen. Seine Rückkehr war für April 1933 geplant, allerdings sollte es nicht mehr dazu kommen. Bereits zuvor hatte er mit dem Gründer des Institute for Advanced Study, Abraham Flexner, in die Wege geleitet, dass er selbst in den folgenden fünf Jahren für mehrere Monate zu Forschungszwecken in die USA fahren und seine Forschungstätigkeit an der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin reduzieren würde.

Am 10. März 1933, kurz vor seiner geplanten Rückreise nach Deutschland, gab Einstein offiziell bekannt, dass er nicht zurückkehren würde und legte in der Folge auch seine Anstellung an der Preußischen Akademie der Wissenschaften nieder. Kurze Zeit später, am 7. April 1933, schloss das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ alle jüdischen Menschen aus jeglichen Positionen des Staatsdienstes aus, insofern hatte Einstein mit einer Kündigung nur etwas vorgegriffen, das so oder so geschehen wäre.

Ende April 1933 begannen Freunde von Einstein, Paul Ehrenfest von der niederländischen Universität Leiden und der Vorsitzende der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, Max von Laue über die Möglichkeit der vorübergehenden Unterbringung sowie die Organisation von Forschungsreisen für die entlassenen Kolleg*innen zu diskutieren. Eine Bereitschafts­erklä­rung für Unterstützung kam beispielsweise von Ernest Rutherford, der anbot in England Hilfe für deutsch-jüdische Kolleg*innen zu organisieren und im Mai wurde dort auch unter seinem Vorsitz das Acadmic Assistance Council gegründet. In den USA bemühte sich das Emergency Committee in Aid of Displaced German Scholars Anstellungsmöglichkeiten an Colleges und Universitäten zu bekommen und die Rockefeller Foundation richtete einen speziellen Fond für vertriebene Gelehrte aus Deutschland ein. Bereits ausgereiste deutsche Akademiker*innen gründeten in Zürich die Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland und später gelang auch die Unterbringung von etwa 30 Wissenschaftler*innen in Istanbul.

Nach der Niederlegung seiner deutschen Staatsbürgerschaft kam Einstein im April nicht nach Deutschland, aber nach Europa zurück und richtete sich zunächst in Belgien ein Exildomizil ein, während sein Besitz und Vermögen in Deutschland beschlagnahmt wurden.

Frederick Lindemann, Professor an der Oxford University, gehörte zu den ersten, die in der Situation in Deutschland eine Chance für das eigene Land sahen. Er setzte sich für die Einrichtung eines Sonderfonds ein und versuchte persönlich mehrere Wissenschaftler*innen an englische Universitäten zu holen. Mit ihm und Rutherford führte Einstein während einer Vortragsreihe in England Gespräche.

Einstein selbst hatte bereits im Jahr 1923 den Ehrenvorsitz der Organisation Œuvre de secours aus enfants (OSE), einer gemeinnützigen Organisation von Ärzten zum Schutz kranker jüdischer Kinder, die ursprünglich in Sankt Petersburg ihren Hauptsitz hatte, dort aber 1921 verboten wurde. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialist*innen 1933 wurde ihr Sitz dann nach Paris verlegt.

Im Oktober 1933 setzte Einstein in seine neue Heimat, die USA, über und bekam dort, an der University of Princeton, letztlich im Jahr 1935 eine feste Anstellung als Professor.

Alexandre Besredka

Alexandre Mikhailovich Besredka wurde 1879 in Odessa geboren. Er bestritt seine gesamte Karriere am Institut Pasteur in Paris, wo er zuvor Medizin studiert hatte. Er forschte zu Immunologie und Anaphylaxie. In der Zwischenkriegszeit spielte er eine wichtige Rolle in der Œuvre de secours aus enfants (OSE), in der er Mitglied des Zentralkomitees und des Lenkungsausschusses wurde. Er starb 1940 in Paris.

Redcliffe Salaman

Redcliffe Nathan Salaman wurde 1874 in London als neuntes von fünfzehn Kindern geboren. Sein Vater war ein wohlhabender Kaufmann. Salaman studierte Naturwissenschaften und Medizin, vorübergehend auch in Würzburg und Berlin. Zunächst leitete er das Pathologische Institut des London Hospital, doch eine Tuberkuloseerkrankung zwang ihn, die Position aufzugeben. Später spezialisierte er seine Forschung auf Kartoffeln. Im Ersten Weltkrieg diente er beim Royal Army Medical Corps in Palästina und gründete im Anschluss das Potato Virus Research Institute in Cambridge, dessen Direktor er wurde.

Als überzeugter Zionist engagierte sich Salaman neben seinem Hauptberuf für jüdische Angelegenheiten, wurde beispielsweise zum Präsidenten der English Zionist Federation gewählt, war Präsident der Jewish Historical Society, Gründer der Jewish Health Organization Great Britain und Mitglied des Rates der Hebräischen Universität von Jerusalem. Im Jahr 1933 war er Gründungsmitglied des Academic Assistance Council, der Wissenschaftler*innen dabei unterstützte, aus Nazi-Deutschland zu fliehen.

Œuvre de secours aux enfants (OSE)

Œuvre de secours aux enfants war eine gemeinnützige Organisation, die 1912 von jüdischen Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen in Russland mit dem Ziel, jüdischen Familien in Notlagen zu unterstützen, gegründet wurde. Kurz nach ihrer Gründung änderte sie ihren russischen Namen in „Obščestvo Zdravoochranenija Evreev“ abgekürzt OZE, was Organi­sation für den Schutz der Gesundheit der Juden bedeutet. Im Jahr 1933 verlegte die Organisation ihr Hauptquartier nach Paris, um die Verfolgung durch die Nazis zu bewahren. In der französischen Namensgebung stehen jüdische Kinder im Vordergrund, da dies auch einen Schwerpunkt der Arbeit darstellte. Während des zweiten Weltkriegs betrieb die Organisation vierzehn Kinderheime in Frankreich, um jüdische Kinder vor Gefangennahme und Deportation in die Todeslager zu bewahren. Weitere Kinder wurden bei ihrer Flucht in die Schweiz und nach Spanien unterstützt.

ADRESSAT

Der Brief richtet sich an „Ihre Exzellenz Präsident des Kabinetts der Minister der türkischen Republik“. Während heute der Präsident Teil des Kabinetts ist und diesem vorsitzt, handelte es sich zu jener Zeit um den Ministerpräsidenten. Im Jahr 1933 war dies İsmet İnönü, geboren als Mustafa İsmet Pascha in Izmir im Jahr 1884. Dieser absolvierte eine Ausbildung an der Kadettenschule (1903) und der Militärakademie der osmanischen Armee und wurde 1906 Hauptmann im Generalstab und 1912 zum Major befördert und wurde Stabschef des Kommandos der jemenitischen Streitkräfte. Im Jahr 1913 agierte er als militärischer Berater bei den Verhandlungen des Vertrags von Konstantinopel, der den Zweiten Balkankrieg beendete.

Während des Ersten Weltkriegs wurde er im Jahr 1914 zum Oberstleutnant und ein Jahr später zum Oberst befördert. Er arbeite unter dem deutschen General Liman von Sanders und später unter Enver Pascha. Bei der Schlacht von Gallipoli leitete er die Operationsabteilung im türkischen Großen Hauptquartiert. Als der kommandierende General im Jahr 1916 in der Schlacht an der russischen Front starb, übernahm Mustafa İsmet seine Vertretung und arbeitete erstmals Mustafa Kemal (später Atatürk), den er bereits während seiner Ausbildung kennengelernt hatte und mit dem er eine tiefe Freundschaft entwickelte, zusammen.

Zurück in Ankara wurde er 1918 Unterstaatssekretär des Kriegsministeriums. Zu Beginn des türkischen Befreiungskriegs von 1919-1923 versorgte er Mustafa Kemal mit Nachrichten und abgelegten Waffen der osmanischen Armee und wurde dafür im Jahr 1920 in Abwesenheit durch das Militärgericht der Istanbuler Sultansregierung zum Tode verurteilt. Daraufhin schloss er sich Mustafa Kemal an, wurde Abgeordneter in der Großen Nationalversammlung in Ankara und erhielt den Auftrag, eine Armee aufzubauen. Seinen späteren Nachnamen İnönü nahm er in Erinnerung zweier Siege seiner Truppen in den Schlachten von İnönü im Jahr 1921 an.

Im Jahr 1922 wurde er zum Außenminister berufen und nach der Ausrufung der türkischen Republik im Jahr 1923 übertrug ihm der erste Präsident Atatürk das Amt des Ministerpräsidenten. Dieses behielt er mit zwei Unterbrechungen zu Beginn seiner Amtszeit bis er es im Jahr 1937 niederlegte. Nach dem Tod Atatürks im Jahr 1938 wurde Inönu im November 1938 zum zweiten Präsidenten der Türkei gewählt.

     

Quelle

Einstein:

„Œuvre de secours aux enfants“, in: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/%C5%92uvre_de_
secours_aux_enfants
, zuletzt geprüft am 30. August 2024.

Stefan L. Wolf. „Einstein verläßt Deutschland – Vertreibung und Exil von Physikern in der Zeit des Dritten Reiches“, In: C. Dirks und H. Simon (Hg.). Relativ jüdisch. Albert Einstein, Jude, Zionist, Nonkonformist, Berlin 2005, 133-155, http://www.exil-archiv.de/grafik/biografien/einstein/EinsteinExilOkt05.pdf, zuletzt geprüft am 30. August 2024.

Besredka:

„Alexandre Besredka“, in: Œuvre de secours aux enfants, https://www.ose-france.org/je-decouvre/histoire/expositions/exposition-lose-une-ong-avant-lheure/alexandre-besredka/, zuletzt geprüft am 30. August 2024.

Salaman:

„Redcliffe Salaman“, in: Wikipedia, https://en.wikipedia.org/wiki/Redcliffe_Salaman, zuletzt geprüft am 2. September 2024.

OSE:

„Children’s Aid Society (Oeuvre de Secours aux Enfants)“, United States Holocaust Memorial Museum, in: Holocaust Encyclopedia, https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/childrens-aid-society-oeuvre-de-secours-aux-enfants, zuletzt geprüft am 2. September 2024.

„Oeuvre de Secours aux Enfants“, in: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/%C5%92uvre_de_secours_aux_enfants, zuletzt geprüft am 3. September 2024.

Adressat:

„Hayatı“, in: İnönü Vakfi, https://www.ismetinonu.org.tr/ismet-inonu-hayati/, zuletzt geprüft am 31. März 2025.

„İsmet İnönü“, in: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/%C4%B0smet_%C4%B0n%C3%B6n%C3%BC, zuletzt geprüft am 31. März 2025.