Deportation der Krimtatar*innen

Im Jahr 1917 fiel das Russische Kaiserreich als Folge der Februarrevolution. Während des russischen Bürgerkriegs, der zwischen 1917 und 1922 folgte, geriet die Krim in unterschied­liche Hände und wurde von der anti-bolschewistischen Weißen Armee besetzt. Nach dem Sturz ihres Oberbefehlshabers Baron Pjotr Nikolajewitsch Wrangel eroberte die Rote Armee die Halbinsel. Viele anti-kommunistischen Militärs und Zivilist*innen flöhen zum nächstgele­genen Seehafen, Istanbul, aber bis zu 150.000 wurden auf der Krim getötet.

Die Bolschewiken ließen die Krimtatar*innen keinen eigenen Staat gründen; sie kamen unter bolschewistische Diktatur. Unter Stalins Regime litten sie am meisten.

Zwischen 1941 und 1944 stand die Krim unter deutscher Besatzung. Nach der Deportation der Nazis deportierte die sowjetische Führung 18.315 Krimtatar*innen, 9.821 Armenier*innen, 12.628 Bulgar*innen und 16.006 Griech*innen nach Zentralasien und anderen russische Gebiete. Dies war eines der schrecklichen Verbrechen des stalinistischen Regimes.

Stalin warf den Krimtatar*innen Kol­la­bo­ra­tion mit den Nazis während der Besatzung der Halbinsel vor und sagte, das gesamte Volk sei­nen Verräter, die eine Bestrafung ver­diente – die Deportation an ent­fernte Orte. Hierbei war es nicht wich­tig, ob diese oder jene Familie während der Besatzung überhaupt auf der Krim war und auch nach­weis­bare Beteiligung von Krimtata­ren am Kampf gegen die Faschis­ten in der Roten Armee oder Parti­sanenarmeen wurde nicht berück­sich­tigt. Wenn man ein*e Krim­tatar*in war, musste man die Krim verlassen!

 

Nicht nur Krimtatar*innen

Bereits am 29. Mai 1944 entschied Moskau die Deportationen fortzuführen. An diesem Tag schrieb Lawrenti Beria[1] Stalin einen Brief über die Zweckmäßigkeit der Deportation der Bulgar*innen, Griech*innen und Armenier*innen von der Krim. Er bekräftigte seinen Vorschlag mit folgenden Argumenten:

  • Krimbulgar*innen hatten sich an der Versorgung der deutschen Armee mit rot und anderen Produkten beteiligt, halfen den Deutschen die Rote Armee zu finden und dienten in bulgarischen Polizeieinheit,
  • die Krimgriech*innen hatte davon profitiert, mit den Besatzern zu handeln und ihre Güter zu transportieren,
  • mehrere religiöse Gemeinden der Krimarmenier*innen hatten mit den Armenier*innen gehandelt, Kleinindustrie betrieben und armenische Nationalkomitees gebildet, die sich für ein unabhängiges Armenien einsetzten.

Derartige „Vortexte“ für eine komplette Deportation bestätigten auf’s Neue, dass das eigent­liche Ziel des Kremls war, das Gebiet für die zukünftige Ansiedlung von Russ*innen zu „säubern“.

Am 2. Juni 1944 unterzeichnete Stalin die Resolution des Landesverteidigungsausschusses zur Deportation von 37.000 Bulgar*innen, Griech*innen und Armenier*innen nach Kasachstan und Russland.

 

„Eine Person in dieser Welt kann sich nach eigenem Ermessen Freunde, Liebhaber, Bildung, Arbeit und fast alles aussuchen, aber es gibt Dinge die wir bekommen haben, ohne sie ausgesucht zu haben. Dies sind unsere Eltern und unser Mutterland – sie werden nicht ausgesucht… Jeder von uns trägt in sich Blutstropfen von unserem Volk, unserer Familie. Und leider ist es in der Geschichte oft vorgekommen, dass die Nationalität eines Menschen zu seinem Todesurteil geworden ist. Die Geschichte unseres Landes ist voll von solchen Beispie­len zu verschiedenen Zeiten. Erinnere dich nur daran, was ‚Genozid‘, ‚Holocaust‘, ‚Nationa­lismus‘, ‚Deportation‘ bedeuten. Und heute sprechen wir über das Schicksal eines Volkes, das durch all diese Prozesse gegangen ist, genau zu der Zeit als es so schien, als hätte es bereits alle schlimmen Dinge hinter sich gelassen.

Es geht um die Schicksale verschiedener Ethnien auf der Krim lebten. Unter ihnen sind die Krimtataren in der schwierigsten Situation. Im Mai 1944, direkt nachdem die Wehrmacht von der Krim deportiert wurde, wurden sie buchstäblich von den Sowjets deportiert. Warum? Wofür? Diese Fragen waren damals und sind heute die schmerzhaftesten für Tausende und Tausende.“

 

[1] Lawrenti Beria war ein georgischer Bolschewist und sowjetischer Politiker und Geheidienstchef.

 

Arbeitsauftrag

Lies den obenstehenden Text und sieh dir das untenstehende Zitat an. Reflektiere die Bedeutung und notiere deine Gedanken.

Quelle

Сергей Стеценко und Радіо Свобода. „‚Для крымских татар оккупация означает гибель народа‘: Мустафа Джемилев о признании геноцида и перспективах освобождения Крыма“, in: КРЫМ.РЕАЛИИ, 19. Dezember 2024, https://ru.krymr.com/a/krymskiye-tatary-okkupatsiya-priznaniye-genotsida-osvobozhdeniye-kryma-dzhemilev/33245383.html, zuletzt geprüft am 8. Mai 2025.