Der deutsche Politikwissenschaftler Florian Hartleb schrieb 2017 über die Wirkung der Trump-Präsidentschaft unmittelbar nach dessen Amtsantritt:
„Die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) als größte demokratische Nation der westlichen Welt haben für ganz Europa eine immense Bedeutung: Sie, ‚die erste moderne Massendemokratie der Geschichte‘ (Alexis de Tocqueville[1]), geben gesellschaftliche und politische Entwicklungen vor, sind Europas wichtigster Wirtschaftspartner und sicherheitspolitischer Anker – ganz zu schweigen von ihrer Rolle in der Film- und Markenkultur oder auch in der Wissenschaft. (...) Von einer Witz- und Werbefigur zum Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt? Ein Wahlkampf als Schlammschlacht? Dem politischen Establishment der USA und der Weltöffentlichkeit ist das Lachen gehörig vergangen: Der Immobilienunternehmer und Milliardär Donald Trump wurde im Juli 2016 zum Kandidaten der Republikaner und schließlich im November zum 45. Präsidenten gewählt. Alle Meinungsforschungsinstitute lagen daneben, rechneten sie doch nicht mit einem Sieg des politischen Provokateurs. Längst gilt Trump nicht mehr als Stand-up-Comedian, sondern als Scharfmacher, der die US-amerikanische Demokratie gefährdet und offenbar Produkt einer ausufernden Repräsentationskrise ist. In Europa sorgte sein Triumph mehrheitlich für Fassungslosigkeit, Unverständnis und blankes Entsetzen. Nur wenige Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte der USA haben so harsche Kritik, aber auch überraschende Unterstützung geerntet wie Trump. Der Geschäftsmann ohne politische Vorerfahrung, der die Dinge beim Namen nennt, galt als der unlikely candidate (aussichtslose Kandidat) der Präsidentschaftswahl 2016, nachdem er ein Jahr zuvor seinen Wahlantritt verkündet hatte. (...) Für das Establishment der Republikaner, der ‚Grand Old Party‘ (GOP), wie sich die Partei von Abraham Lincoln gerne nennt, bedeutete die Kandidatur des Außenseiters eine herbe Niederlage, mit wohl weitreichenden Folgen über den Wahlkampf hinaus. Parteiveteranen versuchten vergeblich, den Kandidaten zu verhindern, der für Traditionen und gängigen Strukturen wenig übrig zu haben scheint. (...) Der Showman-Charakter nach bester Hollywood-Manier ist im politischen System der USA nichts Außergewöhnliches. Man denke an die Wahl des in Österreich geborenen Action-Schauspielers Arnold Schwarzenegger, der als Gouverneur von Kalifornien zwischen 2003 und 2011 amtierte. Das Trump-Phänomen beruht auf der jahrzehntelang kultivierten Stilisierung des Unternehmers, ein Immobilienmagnat oder einfach Baulöwe, der mit harter Hand die eigene Nation aus dem angeblichen Chaos führen will. Musterhaft hat das seine Nominierungsrede zum Kandidaten der ‚Republikaner‘ im Juli 2016 gezeigt: Zuerst beschwörte Trump ein apokalyptisches Szenario, eine danieder siechende Wirtschaft, die allgegenwärtige Terrorangst und Kriminalität. Schuldige werden schnell identifiziert. Im nächsten Schritt präsentierte er dann Schlagworte. Die drakonischen Forderungen beinhalteten den Bau einer Mauer zur mexikanischen Grenze und den Vorschlag, Muslime nicht mehr ins Land zu lassen.“
[1] Alexis de Tocqueville (1805-1859) ist ein franz. Publizist, Politiker und Historiker.
Florian Hartleb. Die Stunde der Populisten: Wie sich unsere Politik trumpetisiert und was wir dagegen tun können, Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verlag, 2017, S. 31–34.