Interviewausschnitt mit Tyson

Der in Deutschland geborene Tyson war zum Zeitpunkt des Interviews 19 Jahre alt. Er hat einen türkischen Migrationshintergrund und bekennt sich eindeutig zu seiner Geburtsstadt. Er beschäftigt sich viel mit dem Koran. Moscheegemeinden oder religiöse Autoritäten spielen für ihn jedoch keine Rolle, weder im Hinblick auf Glaubenspraxis noch in Bezug auf Aneignung oder Überprüfung von Kenntnissen zum Islam. Auf die Frage „Was bedeutet es für Dich, Muslim zu sein?“ antwortet er folgendermaßen: Also, was es für mich bedeutet, ich sag mal so, wie Sie schon gesagt haben, ich würde eher sagen ich bin ein Muslim anstatt ein, wie es oft auch verwendet wird, ein Islamist. Weil, für mich ist ein Moslem einfach jemand, also ich sehe das so, ich hab so ne eigene Interpretation gefunden, ich hab mich auch mit dem Koran befasst. Und bei mir ist das so, da steht ja auch eine Passage, wer vom Herzen daran glaubt, der ist es auch. Der ist ein Gläubiger sozusagen. Also für mich ist das so, wer vom Herzen daran glaubt, der muss nicht Sachen, der muss keine Tugend aufweisen wie fünf Mal am Tag beten oder so. Meiner Meinung nach ist das nicht wirklich nötig, ich kenn Leute, die machen das, fünf Mal am Tag beten. Oder wollen ihre Pilgerfahrt machen und fasten auch, aber die sagen das auch jedem. Die sagen:, „Ja, ich bete fünf Mal am Tag. Das kommt mir dann so rüber, ich mein, nicht mal, wenn man fragt, sagen die das einen, dann denke ich immer, die machen das nur, um es den anderen zu zeigen, zu zeigen, guck mal, was für ein toller Moslem ich bin. Aber da denk ich mir, wieso machst du das? Ich dachte, du machst das für dich? Wieso lässt du jeden daran teilhaben, wenn das für dich selber ist? Ich z.B., ich glaube vom Herzen daran, und das reicht für mich, weil jemand, der fünf Mal am Tag betet, aber nicht wirklich daran glaubt, der betet doch umsonst. Das bringt doch letztendlich gar nichts. Und das sind diese Kleinigkeiten. Ich meine, wenn man mich jetzt draußen sieht oder so, und mich ein bisschen kennt, man wird nicht denken, er ist ein guter Moslem. Das liegt daran, weil man nur die Seiten von mir kennt. Ich mach auch gute Sachen. Ich habe gegenüber meinen Eltern Respekt, gegenüber Älteren Respekt, ich helfe Leuten, die Hilfe brauchen. Aber ich sag das nicht, ich mach das, weil ich das für richtig halte. Und wenn ich ein Gläubi-ger bin, da weiß ich doch, dass Gott das auch sieht, dann muss ich das nicht jedem anderen beweisen. So seh ich das, ja, und ich sag mal, Moslem sein heißt einfach nur, wenn man von Herzen an Allah glaubt. So seh ich das.

Arbeitsauftrag

Arbeitsauftrag allgemein ___________________________________________________________________ 1. Charakterisiere die dem Text zugrunde liegende Auffassung vom „muslimisch Sein“. 2. Erkläre, wie Zugehörigkeit erlebt/verstanden wird und belege dies am Text. 3. Arbeite die Zugänge oder Positionen zu Glaube und religiöser Praxis heraus.   Arbeitsauftrag Tyson ____________________________________________________________________ 1. Arbeite heraus, welche Rolle die Gemeinschaft der Muslim_innen für Tyson spielt. 2. Erläutere, welche Rolle religiöse Autoritäten für ihn einnehmen. 3. Weise seine Kritik nach und beschreibe, wie Tyson damit umgeht. 4. Beurteile, ob bzw. inwiefern Tysons Kritik Einfluss auf seine religiöse Verortung als Muslim nimmt.

Quelle

Interview Dr. Ursula Günther mit Tyson am 26.06.2008 in Hamburg.