INTERVIEWAUSZUG: Tülay

Für mich gehören nun einmal Mann und Frau zusammen

Tülay, 32 Jahre, Deutsch-Türkin, Mutter, selbstständig, heterosexuell, offen und trotzdem konservativ

 

Tülay: Als meine Schwester mir zu jener Zeit mitteilte, dass sie mit einer Frau zusammen ist, dachte und sagte ich im ersten Moment: „Naja, wenn’s dich denn glücklich macht.“ Mein zweiter Gedanke war: „Bir bu eksikti! [Das fehlte noch!] Typisch Gülay.“ Ich fragte mich, warum sie denn immer anders sein musste. Ich habe zwei Meinungen dazu. Selbst­verständlich steht das Glück meiner Schwester im Vorder­grund, egal ob sie mit einem Mann oder einer Frau zusammen ist. Ich finde es auch in Ordnung, wenn sich Menschen sexuell ausleben, so lange keiner einen Schaden davon trägt. Das denkt die eine, offene Seite in mir. Die andere Seite dagegen ist konservativ, konventionell, diese wünscht sich eine Schwes­ter, die einen Mann und Kinder hat, klassische Lebens- und Liebesverhältnisse eben. Ich hatte, wie einige andere auch, gehofft, dass das nur eine Phase ist. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich versuche, sie zu beeinflussen. Vergebliche Liebesmüh’ nenn’ ich das, denn sie lässt es nicht zu. Also habe ich mich damit abgefunden, dass meine Schwester lesbisch ist. Akzeptieren kann ich das nicht wirklich, denn dafür müsste ich von ihrer Lebensform überzeugt sein, und das bin ich nicht. (…)

Ich liebe Gülay und respektiere sie, auch wenn ich mit ihrem Lesbisch-Sein nichts anfangen kann. Sie zeichnet sich für mich nicht nur als „Lesbe“ aus. Sie ist Künst­lerin, meine Schwester, Freundin, Vertraute, die Tante meiner Kinder und vieles mehr. Ich denke, man sollte in erster Linie den Menschen an sich akzeptieren, respektieren und alles Andere, mein Gott, ich nehme es an und ich finde mich damit ab. Macht es genau so und hört auf zu kämpfen, das zermürbt nur unnötig.

Quelle

Gladt e.V. (Hg.). Anti Homophobika, Berlin, 2007, 14–15, https://issuu.com/ufuq.de/docs/homophobika/2, zuletzt geprüft am 13. November 2019.