Respekt im Privaten und Öffentlichen

Der Begriff „Respekt“ spielt in der Jugendsprache und im jugendlichen Alltag in unterschiedlichen Facetten eine große Rolle. Respekt bedeutet dabei unter anderem Achtung, Höflichkeit, Fairness, Anerkennung, Autorität, Toleranz, Vorsicht und Prestige. Respektloses Verhalten dagegen kann mit den Begriffen Geringschätzung, Herablassung, Demütigung, Missachtung, Kränkung oder Misshandlung beschrieben werden.

Respekt entfaltet seine Wirkung aber nicht nur im privaten Raum. Grundlagen einer funktionierenden Gesellschaft sind Gleichheit und Gerechtigkeit. Diese Ziele umzusetzen, ist nur durch respektvolles Verhalten aller Akteure untereinander möglich. Dieser Forderung liegt der Gedanke zugrunde, dass der Mensch für ein menschenwürdiges Leben, wie es ihm laut Grundgesetz zusteht, gesellschaftliche Anerkennung oder – weiter gefasst – psychische Unversehrtheit, die unter anderem auch auf Respekt fußt, ebenso benötigt wie körperliche Gesundheit. Denn Bestätigung ist – ganz besonders auch in der identitätsbildenden Jugend – wichtig, um ein positives Selbstbild zu entwickeln und sich so überhaupt selbst respektieren zu können.

Respekt wird als menschliches Grundbedürfnis gesehen und zählt daher zu den schützenswerten Gütern. Entsprechend ringen die Menschen einerseits um Respekt für sich, andererseits existieren respektsichernde und -erhaltende Strukturen. Respekt beruht dabei auf gesellschaftlicher Interaktion. Er bestimmt die Art des gesellschaftlichen Miteinanders, z. B. in der Familie, im Freundeskreis, im Verein, im beruflichen Umfeld und in der Schule.
 

Respekt – eine Frage des sozialen Umfelds?

Das Ringen um Respekt in der Gesellschaft wird vom Soziologen Pierre Bourdieu als Kampf um symbolisches Kapital in bestimmten Gesellschaftsbereichen erklärt. Symbolisches Kapital ist dabei Resultat der Eigenschaften, die ein Individuum auszeichnen. Dazu zählen soziales, kulturelles und ökonomisches Kapital. Bei sozialem Kapital handelt es sich um persönliche Ressourcen (gemeinhin als Netzwerke oder „Vitamin B“ bekannt), kulturelles Kapital sind u. a. Bildung, Titel (z. B. ein Schulabschluss) und wertvolle Kulturgüter.

Ökonomisches Kapital lässt sich direkt in Geld umwandeln, ist also persönlicher Besitz. Je nach sozialem Feld wird eine andere Kombination der Kapitalarten relevant. Die sozialen Felder unterscheiden sich einerseits danach, ob sie sich in der öffentlichen oder der privaten Sphäre befinden und andererseits in ihrer Zusammensetzung. Je nachdem, wo man sich gerade bewegt, gibt es Differenzen, wer wem warum (keinen) Respekt entgegenbringt. Das Geschlecht beeinflusst dies ebenso wie die Generationenzugehörigkeit. Jede Familie hat andere Maßstäbe. Auch von Freundeskreis zu Freundeskreis und ganz allgemein von kulturellem Milieu zu Milieu, von Land zu Land gibt es Unterschiede.
 

Die Bedeutung von Respekt für unterschiedliche Gruppen

Unterschiedliche Studien zeigen, dass die meisten Menschen Anerkennung, Respekt und Toleranz zu den wichtigsten Werten zählen. Eine Studie hat ermittelt, dass Respekt und Toleranz nach Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Familie bei den über 16-Jährigen die beiden wichtigsten Werte sind. Die Relevanz von Anerkennung belegen auch andere Studien, die mit ähnlichen Begriffen gearbeitet haben, etwa „Jugend. Werte. Zukunft.“ von Heinz Reinders aus dem Jahr 2005. Wichtig sind Werteorientierungen, weil Menschen ihr Verhalten in der Regel an ihnen ausrichten und zum Ziel haben, die genannten Werte zu verwirklichen. Werte sind ein Orientierungsrahmen für das Leben. Besonders wichtig ist der Wert Respekt jedoch für so genannte bildungsferne Jugendliche, wie die Studie „Unsichtba­res Politikprogramm“ der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb aus dem Jahr 2012 ergeben hat. Sie fühlen sich häufig gesellschaftlich ausgeschlossen und als Opfer ungerechter Behandlungen. Dies resultiert jedoch nicht nur aus Exklusionen im Beruf oder in der Schule, sondern gerade auch aus der für sie herablassenden und demütigenden Behandlung als Sorgenkinder, die sie in ihrem Umfeld erfahren.

Respekt im öffentlichen und privaten Raum

Respekt ist – das wird bereits hier deutlich – keine Selbstverständlichkeit. Er wird Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen verwehrt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aus dem Jahr 2006 benennt in Artikel 1 Aspekte, warum Menschen auch heute noch benachteiligt werden: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ Der Staat erkennt durch dieses Gesetz an, dass es mangelnden Respekt gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen gibt, und formuliert den Anspruch, dies zu überwinden. Diese Regelungen gelten dabei besonders für den öffentlichen Lebensbereich, also Beruf, Schule oder allgemein staatliche Institutionen. Niemand darf bei einer Bewerbung beispielsweise wegen ihrer*seiner Herkunft benachteiligt werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes ist notwendig, denn fast die Hälfte der migrantischen Bevölkerungsgruppen in Deutschland fühlen sich gerade wegen ihrer Migrationserfahrung weniger anerkannt.

Respekt – eine Sache der feinen Unterschiede?

Das Grundgesetz (GG) fordert in Artikel 3 eine Gleichheit vor dem Gesetz und damit auch Vergleichbarkeit in der Behandlung durch den Staat. Es hat jedoch nicht das Ziel, tatsächliche Gleichheit herzustellen. Vielmehr wird sogar von einigen Rechtsgelehrt*innen von einer „faktischen Ungleichheit“ aller Menschen ausgegangen.

Doch bleibt ein Problem: Sollen Menschen vom Staat respektiert werden, weil sie – wie es das Grundgesetz formuliert – „gleich“ sind oder gerade, weil sie sich voneinander unterscheiden? Beispielsweise wurden Frauen im Vergleich zu Männern über Jahrhunderte im Öffentlichen und im Privaten anders, also ungleich behandelt und nicht respektiert. Die Frage ist heute, ob Frauen gegenüber der angemessene Respekt ausgedrückt wird, indem sie wie Männer behandelt werden – also gleich – oder ob sie wegen ihres Geschlechts anders behandelt werden sollten, um einen möglichen Nachteil zu überwinden.

Bei bildungsfernen Jugendlichen ist diese Frage besonders relevant: Respekt ergibt sich für sie nicht aus einer Andersbehandlung als „Problemfall“, sondern aus Gleichbehandlung. Denn Andersbehandlung impliziert Schwäche – Schwäche verdient aus der Sicht der Jugendlichen aber keinen Respekt.

Der Staat schützt die Menschenwürde

Auch die Anerkennung der Menschenwürde gehört zu den unveränderbaren Rechten des Grundgesetzes: Artikel 1 bezeichnet die Würde des Menschen als „unantastbar“. Der Artikel beinhaltet sowohl ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat als auch einen Schutzanspruch, der an den Staat gerichtet ist. Den Schutz der Menschenwürde und damit vor bestimmten Respektverletzungen gewährleistet der Staat durch Gesetze. Beispielsweise verbietet der Gesetzgeber Beleidigungen und stellt diese unter Strafe (Strafgesetzbuch/StGB § 185). Weitere Maßnahmen dienen dazu, den Menschen ein respektables Leben zu ermöglichen, so zum Beispiel die Sozialgesetzgebung, die sich zum Ziel setzt, „ein menschenwürdiges Dasein zu sichern“ (Sozialgesetzbuch/SGB § 1).

Respekt spielt natürlich auch im Privaten als Grundlage des Zusammenlebens eine wichtige Rolle. Menschen erhalten hier Respekt von Familienmitgliedern und Freund*innen. Grundlage für Anerkennung sind bestimmte Eigenschaften oder Leistungen. Dabei müssen zwei Arten unterschieden werden: Diejenigen, die gesamtgesellschaftlich anerkannt sind, und andere, die gesamtgesellschaftlich keine Rolle spielen. Zu ersteren zählen zum Beispiel zu arbeiten oder Zivilcourage zu zeigen. Auch wenn bestimmte Personen dies nicht als respektabel bezeichnen, besteht Einigkeit darüber, dass dies Gründe für gegenseitigen Respekt sind. Daneben gibt es auch Aspekte, die nur von bestimmten Personen an bestimmten Personen geschätzt werden. Dies können zum Beispiel bestimmte Marken oder Frisuren sein.
 

Manifestierung respektvollen und -losen Verhaltens

Der Ausdruck von Respekt kann sich ebenso wie sein Fehlen ganz unterschiedlich äußern. Nonverbale Kommunikationsformen spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie verbale. Artikulierte Anerkennung im Sinne von Lob oder Bewunderung wird durch das Suchen von Kontakt, das Fragen um Hilfe oder Imitation ergänzt. Auch Höflichkeit kann hierzu gezählt werden. Respekt kann ebenfalls materiell durch Geschenke oder Zertifikate ausgedrückt werden, die das individuelle symbolische Kapital erhöhen.

Eine ähnliche Bandbreite zeigt sich auch im negativen Bereich: Beleidigungen, die von verletzten Konventionen bis hin zu wüsten Beschimpfungen reichen können, stellen dabei eine Variante dar; in extremeren Fällen reicht dies bis hin zur körperlichen Gewalt. Manchmal geht auch beides miteinander einher: Jemanden ins Gesicht zu schlagen, ist beispielsweise nicht nur wegen der körperlichen Folgen demütigend, sondern auch wegen der symbolischen Kraft des Aktes. Körperliche Formen der Demütigung reichen bis hin zu Vergewaltigungen oder staatlicherseits zu Folter.

Quelle

Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.). Entscheidung im Unterricht Nr. 02/2011: Respekt: Eine Frage der Ehre?, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2011, S. 6-8, https://www.bpb.de/
system/files/pdf/TG46V4.pdf
, zuletzt geprüft am 8. Februar 2023.

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Sprachlich leicht veränderter Auszug aus dem Originaltext.