Saide Arifova: Eine Krimtatarin, die jüdische Kinder rettete
Der Dokumentarfilm „87 Children“ erzählt die Geschichte der Krimtatarin Saide Arifova, die während der Nazi-Besatzung jüdische Waisenkinder rettete. Ein Junge namens Itzhak wendet sich an Saide und bittet um Hilfe. Er erklärt ihr, dass er und eine Gruppe anderer jüdischer Kinder sich vor den Nazi verstecken. Sie steht vor einem moralischen Dilemma: soll sie ersuchen, ihnen zu helfen oder sich selbst retten, indem sie die Bitte ablehnt? Trotz der Gefahr entschließt sie sich dazu, den Kindern zu helfen. Sie kleidet sie als Tatar*innen und bringt ihnen die tatarische Sprache, Bräuche und Gebete bei, gibt ihnen sogar tatarische Namen.
Es gibt viele solcher Geschichten. Jemand rettet Tausende Menschen und jemand rettet eines, aber selbst ein gerettetes Leben ist es wert, die Person als rechtschaffenden Menschen zu bezeichnen.
Saide Arifova war eine Krimtatarin, die einen Kindergarten in der kleinen Stadt Bachtschyssaraj betreib, als die Nazis 1941 die Krim-Halbinsel einnahmen.
Die jüdische Gemeinde von Bachtschyssaraj versuchte, ihre Kinder zu retten indem sie sie versteckten, als die Nazis kamen. Einige der Kinder fanden ihren Weg in Saide Arifovas Kindergarten, der während des Krieges die Funktion eines Waisenhauses und Kinderheim für Straßenkinder übernommen hatte. Saide Arifova nahm mindestens 88 jüdische Kinder auf, versteckte sie vor den Nazis indem sie ihnen krimtatarische Identitäten gab.
Saide gab alle jüdischen Kinder Krimtataren, brachte ihnen islamische Gebete bei und gab ihnen tatarische Namen. Sie lehrte sie die krimtatarische Sprache zu sprechen, was nicht schwer war, da alle aus der Krim waren und die krimtatarische Sprache dort vor dem Krieg sehr verbreitet war. Am Ende des Krieges, war dies eine Frage von Leben und Tod.
Die Nazis hätten Saide Arifova belohnt, hätte sie ihre jüdischen Schützlinge verraten. Und wenn sie dabei erwischt worden wäre, dass sie sie versteckt, dann wäre sie exekutiert worden. Aber selbst beim Verhör und unter Folter gab sie es nicht zu.
Doch als die Sowjets kamen und die Nazis vertrieben, wendete sich das, was eine große Befreiung hätte werden sollen, zu einer Tragödie. Die Deportation der Krimtatar*innen fand am 18. Mai 1944 statt. Das Stalin-Regime beging mit dieser sogenannten „kollektiven Bestrafung“ für die angebliche Kollaboration der Krimtatar*innen mit den Nazis ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Saide Arifova und ihr gesamtes Waisenhaus für krimtatarische Kinder sollte schon von dem Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (dem sowjetischen Innenministerium) verschleppt werde, als sie die seit langem versteckte Geburtsurkunden der jüdischen Kinder fand. Sie rettete diese insgesamt zweimal – vor Hitlers und vor Stalins Terror –, aber konnte sich selbst nicht retten.
Saide Arifova wurde nach Usbekistan deportiert. Erst nachdem die Ukraine im Jahr 1991 unabhängig geworden war konnte sie nach Hause auf die Krim, nach Bachtschyssaraj zurückkehren. Sie starb 2007 und wurde zu ihren Lebzeiten nicht als Gerechte unter den Völkern[1] anerkannt.
[1] Anmderkung der Redaktion: Gerechter unter den Völkern ist ein Ehrentitel für nicht-jüdische Personen, die während des Zweiten Weltkriees Jüd*innen vor der Ermordung durch Nationalsozialist*innen retteten.
„Сайде Аріфова — кримськотатарська праведниця світу“, in: Іслам в Україні, 7. Mai 2015, https://www.youtube.com/watch?v=X3cu10dEuOM, zuletzt geprüft am 12. November 2024.