Was ist Extremismus?

Gefahrenherd Extremismus

Extremismus und die Mitte

Die Begriffe „extrem“ und „Extremismus“ beziehen sich auf das Äußerste. Über das Extreme hinaus gibt es nichts mehr. Extreme sind nicht steigerbar, verkörpern etwas Unüberschreitbares. Die Aussage „A ist extremer als B“ ergibt daher keinen Sinn, denn wenn A extrem ist, ist es schon am äußersten Rand und B kann nicht noch weiter an diesem Rand sein. Als Gegensatz zum Extremismus kann die Mitte gelten. Sie verkörpert etwas Gemäßigtes. Das Bild von der Mitte und den Extremen geht begriffsgeschichtlich bis in die Antike zurück. So bezeichnete der griechische Philosoph Aristoteteles (384-322 v. Chr.) in seiner „Lehre von der Mitte“ die Tugend als die Mitte zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig.
 

Merkmale des Extremismus

Extremismus lehnt den Pluralismus ab. Zentrale Merkmale sind Schwarz-Weiß-Denken, die Bewunderung autoritärer Vorstellungen und die Idee, dass das Individuum hinter dem „großen Ganzen“ zurückstehen soll, denn im Extremismus geht es um übergeordnete Ziele, die ideologisch begründet werden.
 

Ziele und Formen von Extremismus

Als Extremist*innen gelten Anhänger*innen von unterschiedlichen politischen Bestre­bungen, Anarchist*innen, Kommunist*innen, Rassist*innen, Nationalsozia­list*innen oder islamistische Fundamentalist*innen. Ihre Bestrebungen richten sich gegen den demokra­tischen Verfassungsstaat, denn sie streben einen autoritären Staat oder eine staatenlose Gesellschaft an. Der Verfassungsstaat sichert Pluralismus und damit die Akzeptanz verschiedener Interessen. Er orien­tiert sich am Gemeinwohl, anstatt die Interes­sen einzelner Gruppen, die angeblich zum Wohl des (gesamten) „Volkes“ durchgesetzt werden. Die Formen des Extremismus lassen sich in drei Kategorien einteilen: rechts, links und religiös.
 

Welt- und Menschenbild von Extremist*innen

Extremist*innen behaupten, ein „höheres Wissen“ zu besitzen, um die Welt in ihrem Sinne zu erklären. Nur eine bestimme Elite oder eine Führungsfigur besitzt ihnen zufolge das richtige Instrument zur Orientierung in der Welt. Aus diesem Grund streben sie eine „totale“ Steuerung der Gesellschaft an. Der Einzelne wird nicht als eigenständig ange­sehen, sondern muss sich einem Kollektiv, einer Gemeinschaft unterordnen. Extre­mist*innen kämpfen für die politische Einheit von Regierenden und Regierten. Davon abweichende Auffassungen oder Interessen stellen nach ihrer Logik eine Gefahr dar und werden verfolgt. Mit Verschwörungstheorien und Schwarz-Weiß-Denken schaffen Extre­mist*innen Feindbilder und rücken sich selbst in ein besseres Licht.
 

Rechtsextremismus

Der Rechtsextremismus lehnt die Idee, dass alle Menschen gleich sind, ab. Er stützt sich auf die Vorstellung von überlegenen „Rassen“. Die biologische Kategorie der „Rasse“ und die Idee, die dahinterstehen, wird in Deutschland mittlerweile eigentlich auf das Tier­reich beschränkt angewendet, da die Verbrechen im Nationalsozialismus gezeigt haben, welch verheerende Auswirkungen ein Überlegen­heits­anspruch, der sich auf die Vorstel­lung von besseren und minderwertigen Men­schen­rassen stützt, haben kann. Außerdem erweist sich die Idee bei näherer Betrach­tung schlichtweg als falsch, da beispielsweise Charakterzüge und Intelligenz nicht mit äußerlichen physischen Merkmalen zusammen­hängen. Biologisch gesehen gibt es bei menschlichen Gruppen keine Begründung für eine Einteilung in „Rassen“. Rechtsextremist*innen stimmen dieser Erkenntnis nicht zu. Sie sehen die Zugehörigkeitzu einer menschlichen „Rasse“ als biologisch bestimmt und sprechen Zugehörigen einer anderen „Rasse“, die sie als minderwertig ansehen, ihre Grund- und Menschenrechte ab.

Die Bezeichnung des Faschismus bezieht sich vor allem auf das Regime Benito Mussolinis (1883-1945) in Italien. Wer von einem „deutschen Faschismus“ spricht, könnte den Nationalsozialismus verharmlosen, da die Unterschiede so verwischt werden. Der Nationalsozialismus unter Adolf Hitler (1989-1945) ging von einem ständigen Kampf der Rassen und Völker aus. Ziel dieser Ideologie war es, „ethnische Reinheit“ herzu­stellen und eine totalitäre Herrschaft zu begründen. Mussolinis Faschismus orientierte sich am Imperialismus des antiken Roms. In Mussolinis autoritärem Staat mussten sich die Faschist*innen die Macht mit Monarchie und Militär teilen. Hitlers Macht aber war absolut.

Heute behält der Rechtsextremismus den Grundsatz der nationalen Abschottung bei. Dennoch haben die Vernetzungen zugenommen. So gibt es beispielsweise die Identitäre Bewegung, die in Frankreich entstand und sich etwa auch in Deutschland ausbreitete. Mittlerweile spielen auch virtuelle Räume eine Rolle, wo beispielsweise alte antisemi­tische Klischees wiederbelebt worden sind.
 

Linksextremismus

Auch Linksextremist*innen geben vor, über übergeordnete Gewissheiten zu verfügen. Zwar wird der Grundsatz der Gleihheit aller Menschen akzeptiert, die*der Einzelne soll aber aus gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Fesseln gelöst werden. Die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung gilt als „kapitalistisch“, „imperialistisch“ oder „faschistisch“. Insbe­sondere die kapitalisische Klassengesellschaft wird abgelehnt. Mitte des 19. Jahrhun­derts hatten Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820) eine Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialtheorie entwickelt, derzufolge Kapitalismus wegen seiner Ungerechtigkeit bei der Verteilung wirtschaft­licher Güter zwangsläufig durch eine „Diktatur des Proletariats“[1] bzw. eine klassenlose Gesellschaft abgelöst würde. Die Vorstellung von der Umschichtung des Eigentums von den reichen „Kapita­listen“ zu den armen „Proletariern“ hat eine zentrale Bedeutung.

Eine andere Form des Linksextremismus ist der Anarchismus. In einer anarchistischen Gesellschaft gibt es weder Hierarchie noch Herrschaft. Zwar ist der Anarchismus in den heutigen Demokratien kaum mehr verbreitet, er taucht aber immer noch innerhalb gesellschaftltlicher Subkulturen auf. Er verachtet das bürgerliche „Establishment“,[2] wendet sich vom Staat ab und betont die Selbstentfaltung der oder des Einzelnen. Seine Feindbilder sind die bestehenden Gesetze, Normen und Ordnungen. Seit Jahren spielt der Linksextremismus besonders innerhalb der global vernetzten Bewegung eine Rolle, die u. a. Proteste gegen Gipfeltreffen internationaler Mächte (wie den G-20-Gipfel) orga­nisiert.
 

Religiöser Extremismus

Als extremistisch werden ganz unterschiedliche religiös begründete Ideolo­gien und Strömungen bezeichnet. Der religiöse Extremismus lehnt den Pluralis­mus­gedanken ab und stellt eine Glaubensgemeinschaft in den Mittelpunkt, die den Anspruch erhebt, das absolut Richtige zu glauben und zu tun. Seit der Revolution im Iran 1979 unter geistiger Führung des Ayatollah Khomeini (1902-1989) steht der islamistische Extremismus mit seiner stark antiwestlichen Haltung im Mittelpunkt der Aufmerk­sam­keit. Der islamistische Extremismus strebt eine Theokratie an, das heißt eine Diktatur, in der die Menschen ihre Herrschaft und alle Gesetze in erster Linie religiös begründen. Andersgläubige müssen mit Unterdrückung und Verfolgung rechnen. Solche Bedrohungen gehen aber nicht nur von staatlicher Seite aus. Die Selbstmordattentate extremistischer Islamist*innen haben die Welt erschüttert. Meistens berufen sich die Attentäter*innen auf Terrororganisationen wie Al-Quaida oder den Islamischen Staat (IS). Generell geht heute eine große sicherheitspolitische Bedrohung von sich auf Religion berufende Terrorrist*innen aus. Das zeigte der Fall des Tunesiers Anis Amri, der – vorbestraft – als vermeintlicher Flüchtling nach Deutschland einreiste und am 16. Dezember 2016 in Berlin einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt beging.


[1] Der Begriff „Proletariat“ bezeichnet die Arbeiterklasse.

[2] Als Establishment wird die politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich einflussreiche Elite bezeichnet.