Elina Marmer
Den Begriff Political Correctness – deutsch Politische Korrektheit – gibt es seit den 1980-90ern Jahren. Es handelt sich hierbei darum, auf diskriminierungsfreien und respektvollen Sprachgebrauch zu achten. Einfacher gesagt – wir sollten beim Sprechen niemanden ausgrenzen, abwerten oder beleidigen.
Sprachregeln gibt es, solange es Sprachen gibt. Bereits als Kleinkinder lernen wir, wie wir mit wem zu sprechen haben, was höflich und respektvoll ist und was sich nicht gehört. In jeder Familie, Gemeinschaft und Einrichtung gelten stillschweigende Regeln darüber, welche Begriffe nicht zu verwenden sind. Zum Beispiel dürfen wir in der Schule, auf der Arbeit und auf der Straße keine Schimpfwörter benutzen. Es ist auch geregelt, wen wir mit „du“ und wen mit „Sie“ ansprechen usw.
Doch wer legt eigentlich fest, was beleidigend ist und was nicht? Die Menschen, die für die Regeln zuständig sind, haben hier die Definitionsmacht – z.B. Eltern für die Regeln zu Hause, Lehrkräfte und Schulleitung für die Schule, Gerichte für den öffentlichen Raum. Sie gehen meist von ihrer eigenen Wahrnehmung aus – was sie selbst als beleidigend empfinden würden, wird als allgemein gültig erklärt.
Aber natürlich kann jeder nur für sich selbst und aus eigener Erfahrung sprechen. Menschen, die keiner gesellschaftlichen Diskriminierung (wegen Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, körperlicher Verfassung usw.) ausgesetzt sind, können aus eigener Erfahrung nicht wissen, was für diskriminierte Menschen verletzend ist. Dadurch lässt sich erklären, dass häufig nur solche Begriffe, die für die Mehrheitsgesellschaft als beleidigend galten, reglementiert wurden, andere jedoch trotz ihrer gewaltvollen Wirkung weiterhin verwendet werden durften (z.B. das N-Wort).
Seit den 1980-90ern Jahren erheben viele diskriminierte Gruppen ihre Stimmen gegen dieses einseitige Verständnis von verletzender Sprache. Sie setzen sich für ihre Rechte ein und benennen dabei sprachliche Konstrukte (Wörter, Fragen, Sätze), die sie als diskriminierend empfinden. Diskriminierung fängt häufig bereits bei der Bezeichnung für die Gruppe an, die sie sich nicht selbst ausgedacht hat, sondern die von außen vergeben wurde. Diese Bezeichnungen für diskriminierte Gruppe – so genannte Fremdbezeichnungen – entstehen meist um diese Menschen abzuwerten und auszugrenzen. Die Menschen setzen sich ein für das Recht auf eine Selbstbezeichnung.
Die Sprache, die von einer diskriminierten Gruppe als „politisch nicht korrekt“ benannt wird, mag vielen anderen zunächst als „neutral“ erscheinen. Das liegt daran, dass Menschen, die es gerade nicht betrifft, sich an eine gebräuchliche Sprachverwendung gewöhnen und diese nicht in Frage stellen. Außerdem fehlen ihnen oft Informationen über die Entstehung und Bedeutung der Begriffe. Erst im Laufe einer gründlichen Auseinandersetzung können alle sich in die Lage versetzen, den jeweiligen verletzenden Inhalt zu begreifen.
Political Correctness zielt darauf ab, zu den allgemeinen Sprachregeln auch solche hinzuzufügen, die unterschiedliche diskriminierte Gruppen schützen. Dabei sollten nicht nur bestimmte sprachliche Konstrukte reglementiert werden, sondern vielmehr die gesamte Gesellschaft dazu angeregt werden, sich mit diesen Inhalten zu beschäftigen, sich zu fragen, worin genau die Beleidigung besteht und was dagegen getan werden könnte. Es geht also nicht nur um die Einhaltung von Regeln, sondern um ein Nachdenken über Diskriminierung.
Leider wird Political Correctness häufig missverstanden. Das liegt wohl daran, dass es viel einfacher zu sein scheint, eine diskriminierende Wortschöpfung durch eine neue zu ersetzen, als sich ernsthaft Gedanken über die eigentliche Diskriminierung zu machen. So passiert es, dass man das eine sagt und das andere meint. Hier ein Beispiel:
Der verletzende Inhalt des Begriffs „Ausländer“ wird auf den neuen, scheinbar politisch korrekten, Begriff „Menschen mit Migrationshintergrund“ übertragen. Die Worte wurden ursprünglich korrekterweise ausgetauscht, denn viele Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit wurden früher aufgrund ihres Aussehens als „Ausländer“ beschimpft und ausgegrenzt. „Migrationshintergrund“ beschreibt die Umstände zwar auf eine korrekte Art und Weise, wird jedoch häufig genauso ausgrenzend und negativ verwendet, wie früher „Ausländer“.
Political Correctness ist eine Sprachregelung, die Menschen vor verbalen Verletzungen schützen soll und ist von daher ein wichtiges gesellschaftliches Instrument der Gleichberechtigung. Political Correctness schafft es jedoch nicht allein, Diskriminierung aus der Welt zu schaffen. Dafür ist es notwendig, sich mit der Entstehung, Wirkung und Bedeutung der jeweiligen Diskriminierung vertiefend zu beschäftigen.