Zeitungsartikel: Jüdische Familie aus Taxi geworfen

Am Mittwoch wurde der höchste jüdische Feiertag Jom Kippur begangen. Wie die meisten Berliner jüdischen Glaubens, wollte auch Esther Dobrin an diesem Tag in die Synagoge. Die Fahrt dorthin hat sich ihr allerdings als schreckliches Erlebnis eingeprägt. Folgt man ihrer Darstellung, hat ein Berliner Taxifahrer sie und ihre Familie aus seinem Wagen geworfen – weil sie Juden sind.

Es war elf Uhr am Vormittag, als sich der Vorfall ereignete. Esther Dobrin wollte nicht mit dem Auto fahren. Ihr Mann rief der Familie deshalb in Dahlem ein Taxi. Esther Dobrin hatte Begleitung auf dieser Fahrt: ihre elfjährige Tochter, ihre 19-jährige Nichte und deren 20-jähriger Freund. Als die Familie eingestiegen war, teilte sie dem Fahrer mit, wo sie hinwollte: in die Pestalozzistraße 13. „Bis dahin war er sehr freundlich gewesen“, sagt Esther Dobrin. Aber dann fragte er nach, wollte wissen, wohin genau die Fahrt gehen soll.

„In die Synagoge, habe ich gesagt“, sagt sie. Die Stimmung sei sofort gekippt. Der deutsche Fahrer habe plötzlich behauptet, nicht zu wissen, wo sich die Pestalozzistraße befindet. Als auch Beschreibungen wie „Nähe zur Kantstraße“ nicht halfen und sie ihn auf sein Navigationssystem hinwies, habe er plötzlich mitten auf der Clayallee angehalten und seinen Fahrgästen nahegelegt, sich ein anderes Taxi zu suchen. „Er hat uns rausgeschmissen“, sagt Esther Dobrin.

Esther Dobrin ist 37 Jahre alt. Offenbar ist sie nicht leicht einzuschüchtern. Sie warf dem Fahrer Antisemitismus vor. Er habe das dann als Masche bezeichnet. Seit 31 Jahren habe er einen Taxischein. Sie hat sich seinen Namen, seine Taxinummer, sein Kennzeichen aufgeschrieben, das Taxi fotografiert und ihren Mann angerufen, der Anzeige bei der Polizei erstattete und Beschwerde bei der Taxi-Innung einlegte. [...] Bei der Polizei ist die Anzeige in Bearbeitung. Wie ein Sprecher mitteilte, würden die Umstände geprüft, alle Beteiligten befragt. Ob der Vorfall strafrechtliche Normen berührt, ist fraglich. Beleidigungen sind offenbar nicht ausgesprochen worden, und eine Verletzung der Beförderungspflicht wäre lediglich als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. [...]

Straftaten Seit Januar 2012 ist es in Berlin zu 90 antisemitischen Straftaten gekommen. Die meisten Vorfälle (84) wurden dem rechten Spektrum zugeordnet. Vier Fälle führt die Polizei unter politisch motivierter Ausländerkriminalität. 16 Fälle sind auf-geklärt worden. Die meisten Tatverdächtigen sind männlich. Im Jahr 2011 registrierte die Polizei 113 Fälle, 2010 waren es 132.

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Quelle

Haak, Julia. „Antisemitismus: Jüdische Familie aus Taxi geworfen“ (gekürzte Fassung), in: Berliner Zeitung, 27. September 2012, http://www.berliner-zeitung.de/berlin/antisemitismus-juedische-familie-aus-taxi-geworfen,10809148,19568856.html.