INTERVIEWAUSZUG: Ömer

Mama und Papa, ich mach komische Sachen mit den Männern

Ömer, 31, Türke aus Nürnberg, Pastırmacı Deutschländer in Kayseri

 

Ömer: Seit ca. zehn Jahren bin ich auf mich allein gestellt. Meine Eltern leben nicht mehr. Daher hatte ich es mit meinem Coming Out nicht so schwer. Ich bin schwul gewor­den – wiederhole mich gern – , ich habe es mir nicht ausgesucht, ich bin es gewor­den. Dann habe ich bei Bedarf angefangen, nach und nach meine Umgebung/Um­welt zu informieren. Manche haben es als Witz angenommen und manche so auf die goldene Waage gelegt, dass Sie von mir nichts hören wollten. Auf Deutsch gesagt, sie haben mein Schwul-Sein ignoriert. Meine Gefühle zu Männern gehören zu meiner Person. Wer den Ömer nicht als türkischen Schwulen akzeptieren kann, siktir olup gitsin [soll sich verpissen].

Komischerweise wird mein Schwul-Sein von meinen Geschwistern eher akzeptiert als von Freunden. Nur mein Machobruder sagte zu mir Folgendes: „Mir ist dein Le­ben egal! Haupt­sache, dass meine Freunde es nicht erfahren.“ Da denkt sich der Ömer: „Ups! – Was ist ihm wichtig, seine Familie oder seine Freunde?“ Aber ehrlich gesagt, wenn ich die Möglichkeit hätte auszusuchen, ob ich schwul werden kann oder nicht, würde ich es genauso tun. Ich sag nur: „Ich liebe die Männer und die Männer mich!“

Ich würde mich nie verstecken. Viele Schwule bzw. gleichgesinnte türkische Männer haben Angst vor der Gesellschaft. Sie verstecken sich. Manche haben sogar so viel Angst, hören auf die Eltern und heiraten. Ich finde das irrsinnig. Warum hat man vor der Gesellschaft Angst? Je mehr man sich versteckt, desto mehr wird man doch gehänselt. Leute, steht einfach zu dem, was ihr seid. Halllooooooooo!!! Ihr lebt in Deutschland, ihr seid sozusagen ein Hanswurst. Seid offen und stark.

Ein Freund von mir, auch aus Nürnberg, ist bei seiner Familie geoutet. Er hat seinen türkischen Eltern gesagt: „Mama und Papa, ich mach komische Sachen mit den Männern und das gefällt mir auch sehr. Ich denke, es ist die Zeit, euch zu sagen, dass ich euch keine Enkel­kinder anbieten werde. Ich bin schwul und bin sogar mit einem deutschen Mann zusammen.“

Die Eltern waren sehr schockiert, mussten sich erstmal erkundigen, was sie mit einem schwulen Sohn erwartet… Das Ende vom Lied: Die Eltern stehen nach wie vor zu ihrem Sohn, nur der Sohn traut sich nicht, sich bei seinen Freunden zu outen. Ist das nicht ko­misch? Meistens ist es umgekehrt! Eltern/Freunde, steht zu euren Kindern/Freunden/ Geschwistern – und sie werden für Euch auch immer da sein. (...)

Quelle

Gladt e.V. (Hg.). Anti Homophobika, Berlin, 2007, 15–16, https://issuu.com/ufuq.de/docs/homophobika/2, zuletzt geprüft am 13. November 2019