Dimension: Gegenwart des Rassismus

Wie Rassismus heute in Erscheinung tritt

Der aus dem Kongo stammende, Schwarze, katholische Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende (66) sah sich nach vier Jahren gezwungen, sein Amt niederzulegen und die bayrische Gemeinde Zorneding zu verlassen. Gründe hierfür sind u.a. monatelange Morddrohungen und rassisti­sche Beschimpfungen - auch aufgrund seiner Hautfarbe. Der gesellschaftspolitisch engagierte Pfarrer äußerte zudem Kritik an flüchtlingsfeindlichen Äußerungen der örtlichen CSU, worauf­hin ein CSU-Politiker Ndjimbi-Tshiende mit dem N-Wort[1] beschimpfte und dadurch rassistisch diskriminierte. Hinzu kam, dass ihm mehrere Drohbriefe erreichten. Auf einer Karte stand ge­schrieben: „Ab nach Auschwitz mit dir!“

Auch die evangelische Gemeinde in Zorneding war bestürzt über solche Anfeindungen und den Weggang des Kollegen. Der evangelische Pastor Manfred Groß kündigte an, sich mit der politischen Gemeinde zusammenzusetzen, um so gemeinsam ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Nur wenige Tage später kamen ca. 2.500 Menschen, mehr als jede*r dritte Bürger*in Zornedings, zu einer Solidaritätskundgebung zusammen. Sie demonstrierten gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus: „Eine Sauerei ist es, dass hier jemand gezwungen wird, zu gehen.“ „Wenn Pegida auf die Straße geht, wird es Zeit, dass das auch andere tun.“ Die Bürger*innen jeden Alters bildeten mit Kerzen zusammen eine leuchtende Kette, die von der evangelischen Kirche über das Rathaus bis zur katholischen Kirche reichte. Zusätzlich läute­ten die Kirchenglocken als Zeichen für Solidarität und für das Zusammenstehen gegen Fremden­feindlichkeit. Doch auch eine Online-Petition für einen Verbleib des Pfarrers mit über 70.000 Unterschriften binnen vier Tagen konnte Olivier Ndjimbi-Tshiende nicht umstimmen, der ohne Zorn oder Verbitterung ging.

Prof. Dr. Olivier Ndjimbi-Tshiende hat u.a. an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft.

Diese Vorkommnisse sind kein Einzelfall. So haben Forscher der Universität Leipzig heraus­gefunden, dass 2014 20% der Deutschen ausländerfeindliche Einstellungen haben - insbe­sondere gegenüber Muslim*innen, Sinti*zze und Rom*nja und Asylsuchende. Auch das Bun­desinnenministerium gab bekannt, dass fast 4000 Straftaten registriert worden sind, die als rassistisch motivierte Hassverbrechen gelten.

Doch Rassismus gibt es nicht nur, wie im Falle des katholischen Pfarrers, als Interaktion zwischen zwei Menschen, sondern auch als System. Mit dem sog. institutionellen oder struk­turellen Rassismus werden bspw. folgende Benachteiligungen bezeichnet: Wenn im Bildungs­system Schüler*innen mit bestimmten Merkmalen bei der Benotung oder Versetzung benach­teiligt werden. Oder wenn rassistische Taten von den Behörden und der Polizei verharmlost werden. Weitere Formen des Rassismus sind der antimuslimnische Rassismus und der Anti­ziganismus, der sich gegen Sinti*zze und Rom*nja wendet.

Sowohl die UN als auch die EU haben ihre eigene Antirassismus-Politik. 1969 trat die erste völkerrechtlich bindende Erklärung gegen Rassismus durch eine Verabschiedung der Verein­ten Nationen in Kraft. Seitdem müssen alle Mitgliedstaaten alle vier Jahre einen Bericht ein­reichen, der dann ausgewertet wird. Neben der UN forderte auch der Europarat Deutschland 2014 dazu auf, verstärkt gegen Diskriminierung vorzugehen. Festgestellt wurde u.a., dass in Deutschland oft vorschnell rassistische Motive bei Straftaten ausgeschlossen werden. Auch sei der Rassismusbegriff zu eng gefasst und auf rechtsextreme Gruppen beschränkt, sodass bspw. die Äußerungen Thilo Sarrazins gegen Muslime im Jahr 2010 nicht als Rassismus ver­standen und verurteilt worden seien.


[1] Seit dem Ende des 18. Jh. ist das N-Wort bereits ein abwertender Begriff mit verletzendem Charakter, der durchaus strategisch genutzt wurde, um das Gefühl von Verlust, Minderwertigkeit und die Unterwerfung unter weiße koloniale Herrschaft zu implementieren. Wird der Begriff heute benutzt, platziert man Schwarze Menschen plötzlich in dieser kolonialen Ordnung, da der Begriff die Beziehung zwischen Weißen und Schwarzen beschreibt, welcher seine Wurzeln in einer Herr-Knecht-Dichotomie hat. (Grada Kilomba. „Das N-Wort“, http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/afrikanische-diaspora/­59448/das-n-wort?p=all).

 

Arbeitsauftrag

Fasst die Inhalte des Textes im Gespräch zusammen und notiert eure Ergebnisse auf diesem Arbeitsblatt. Die Notizen helfen euch bei der Präsentation.

  1. Erläutere, wie sich Rassismus gegen Einzelne - individueller Rassismus - heute zeigt.
  2. Lege dar, wie sich Rassismus auch strukturell, als institutioneller Rassismus, festsetzt.
  3. Nenne Gründe, warum Deutschland verstärkt gegen Rassismus vorgehen muss.

Notiert euch offene Fragen zu den Inhalten des Textes, die ihr vielleicht mit den anderen Schüler*innen diskutieren möchtet.

Quelle

Zusammengefasst und zitiert nach:

Mediendienst Integration. „Rassismus“, http://mediendienst-integra­tion.de/desintegration/rassismus.html, zuletzt geprüft am 7. Oktober 2022.

Ried, Christiane. „Schwarzer Pfarrer geht nach rassistischen Morddrohungen“, in: Migazin, 07.03.2016, http://www.migazin.de/2016/03/07/bayern-schwarzer-pfarrer-geht-nach-rassistischen-morddrohungen/, zuletzt geprüft am 7. Oktober 2022.

Schneider, Barbara. „Solidarität mit Schwarzen Pfarrer: Rund 2.500 Menschen setzen Zeichen gegen Rassismus“, in Migazin, 11.03.2016, http://www.migazin.de/2016/03/11/solidaritaet-pfarrer-rund2-menschen-zeichen/, zuletzt geprüft am 7. Oktober 2022.