Textquelle: Franz Adolf Eduard Lüderitz (1834-1886)

Textauszug aus: „Der Ehre würdig? Fragwürdige Namensgeber für Straßen in deutschen Städten und Gemeinden“ von Jule Bönkost (2017)

„Adolf Lüderitz wurde am 16. Juli 1834 in Bremen als Sohn des Tabakhändlers F. A. E. Lüderitz geboren. Er war ein Bremer Kaufmann und als solcher erster deutscher „Landbesitzer“ im damaligen ‚Deutsch-Südwestafrika‘ (heute Namibia). Das von ihm betrü­gerisch erworbene Land wurde der Kern der von 1884 bis 1915 bestehenden deutschen Siedlungskolonie ‚Deutsch-Südwestafrika‘. [...] Für seine Auslandsunternehmungen gründe­te er 1881 eine Handelsniederlassung in Lagos im heutigen Nigeria, mit der er offenbar keine nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolge erzielen konnte. Wieder mit der Absicht, für sich den Afrika-Handel aufzubauen, plante Lüderitz nun eine Niederlassung im Südwesten von Afrika in der Hoffnung auf einen erfolgreichen Handel mit Bodenschätzen, Waffen, Alkohol und Tabak.

[...] 1882 beauftragte Lüderitz den knapp 21-jährigen Heinrich Vogelsang aus Bremen zum Abschluss eines ‚Kaufvertrages‘ über die Küstenregion Angra Pequena (später Lüderitz­bucht) im heutigen Namibia. Er sollte dem Nama-Kaptein Josef Frederiks dieses Land nach deutschen Rechtsvorstellungen abkaufen. Neben dem ersten ‚Landkaufvertrag‘ im Frühjahr 1883 kam im August ein zweiter ‚Vertrag‘ zustande. Dies passierte auf der Grundlage eines bewussten Betruges: Lüderitz und Vogelsang ließen Frederiks im Glauben, er verkaufe Land im Umkreis von fünf – wie üblich – englischen Meilen, das entsprach 1.609,3 Meter je Meile. Sie beanspruchten dann allerdings Land im Umkreis von fünf deutschen Meilen, die mit 7.532,5 Meter je Meile fast fünfmal länger ausfällt. Diese fragwürdigen Vertragsgrundlagen des Landerwerbs, damals landläufig auch ‚Meilenschwindel‘ genannt, führten dazu, dass Lüderitz schon recht bald spöttisch ‚Lügenfritz‘ genannt wurde.

[...] Neben diesem Betrug kommt noch die Strategie der Risikobegrenzung mit Hilfe des Staates hinzu: Um das Geschäftsrisiko zu vermindern bzw. ganz zu beseitigen, bemühte sich Lüderitz zeitgleich zu den betrügerischen Verkaufsverhandlungen beim Kaiserlichen Auswärtigen Amt um den ‚Schutz‘ seiner geplanten Faktoreien und Farmen.3 Bismarck entsprach seiner Bitte im April 1884 schließlich. Das betrügerisch in Besitz genommene Gebiet um Angra Pequena wurde unter deutschen politischen und damit auch militärischen ‚Schutz‘ gestellt, um das Vorhaben der Kolonisatoren abzusichern. Damit war die entschei­dende Weiche für die koloniale Unterwerfung und Ausbeutung in ‚Deutsch-Südwestafrika‘ gestellt, die ihren gewaltsamen Höhepunkt in den deutschen Kolonialkriegen gegen die Nama und OvaHerero zwischen 1904 und 1908 und dem ersten deutschen Völkermord fand – dem Genozid an den Nama und OvaHerero.“

Quelle

Jule Bönkost. Der Ehre würdig? Fragwürdige Namensgeber für Straßen in deutschen Städten und Gemeinden“, 2017, veröffentlicht auf academia.edu.