Textquelle: Dr. Carl Peters (1856-1918)

Textauszug aus: „Der Ehre würdig? Fragwürdige Namensgeber für Straßen in deutschen Städten und Gemeinden“ von Jule Bönkost (2017)

„Peters war ein deutscher Politiker, Publizist, Privatdozent der Philosophie und vermeint­licher ‚Afrikaforscher‘, der eine offene rassistische koloniale Einstellung vertrat. Er gilt als Begründer der Kolonie ‚Deutsch-Ostafrika‘ (heute Teile Tansanias, Burundis und Ruandas). Geboren wurde Peters am 27. Sept. 1856 in Neuhaus/Elbe (damals zugehörig zum König­reich Hannover). [...] Bereits mit 27 Jahren gründete Peters 1884 die ‚Gesellschaft für deutsche Kolonisation‘ mit. Mit dem Eigenkapital der Gesellschaft fuhr Peters noch im selben Jahr nach Ostafrika. Dort entwickelte er scheinbar dem Vorbild des Kolonialhändlers Adolf Lüderitz folgend seine der Landenteignung. Er schloß – wie zuvor Lüderitz in ‚Deutsch-Südwestafrika‘ – sogenannte ‚Schutzverträge‘ ab und veranlasste gleichzeitig ‚Flaggen­hissun­gen‘ in den ‚unter Schutz‘ gestellten Ländereien. Peters selbst beschrieb mit abwer­tender Ignoranz, wie er die fragwürdigen ‚Abtretungsverträge‘ realisierte. Wenn er sich einer lokalen Autorität näherte, streute er zunächst das Gerücht seiner Macht und lies zur Schüsse abfeuern. Anschliessend brachte er die lokalen politischen Repräsentanten mit ‚Ehren­geschen­ken‘ und einem ‚Trunk guten Grogs‘ in die ‚vergnüglichste Stimmung‘, so dass sie ihm die ‚Blutsbrüderschaft‘ antrugen und ihm das Land ‚zu völlig freier Verfügung‘ über­ließen. Nach Vertragsunterzeichnung würde Peters noch einmal mit demonstrieren, was ‚im Falle einer Kontraktbrüchigkeit zu erwarten‘ sei.

[...] Um das von ihm angestrebte deutsche mittelafrikanische Kolonialreich zu schaffen, ging Peters nicht nur mit Selbstverständlichkeit betrügerisch, sondern auch äußerst brutal vor. Seine koloniale Landnahme erfolgte mit rücksichtsloser Gewalt. Mit seinen sogenannten militanten ‚Expeditionen‘ ins Landesinnere erwarb sich Peters den Ruf eines erbarmungs­losen Mörders, der ‚links und rechts alles niederknallte‘. Seinem Auftraggeber, dem Auswär­ti­gen Amt, riet Peters, die in der Region um den Kilimandscharo ansässigen Warombo ‚auszurotten wie die Rothäute Amerikas, um ihr breites und fruchtbares Gebiet der deutschen Kultivation zu gewinnen‘.Vor Ort erhielt er den vielsagenden Namen ‚Mkono wa damu‘ (Kiswaheli: der Mann mit den blutbefleckten Händen). Aufgrund seines grausamen Vorgehens und menschenverachtenden Verhaltens war Peters bereits zur Kaiserzeit auch in Deutschland umstritten.

1891 wurde Peters zum Reichskommissar für das Kilimandscharo-Gebiet ernannt. Schnell wurde er aber wieder seines Amtes enthoben. [...] Im Oktober 1891 lies Peters von Eifer­sucht motiviert seine Dienerin Jagodia, die er zu sexuellen Diensten zwang, und ihren Geliebten Mabruk öffentlich hängen. Fünf Jahre später ging es wegen dieser Angelegenheit im Reichstag am 13. März 1896 hoch her. Im November 1897 wurde Peters wegen ‚wiederholtem‘ aus dem Reichsdienst entlassen mit Titel- und Pensionsverlust. Allerdings wurde er bis 1914 vollständig rehabilitiert und schließlich 1937 von Hitler posthum begnadigt.

Während in der Weimarer Republik ausschließlich die Kolonialbewegung die Erinnerung an ihn hoch hielt, wurde Carl Peters unter den Nationalsozialisten im ‚Dritten Reich‘ zum ‚großen Deutschen‘ und Vordenker erklärt. [...] Beispielsweise wurde 1935 in Hannover ein Denkmal für den von den Nationalsozialisten verehrten Kolonialverbrecher errichtet und 1939 im Berliner eine Straße nach ihm benannt. In den achtziger Jahren wurde die Berliner Petersallee umgewidmet, jedoch auf zweifelhafte Weise: Seit 1986 erinnert die Straße an den Stadtverordneten Prof. Dr. Hans Peters (1896-1966), so dass der ursprüngliche kolonia­le Benennungskontext heute verschwiegen und damit verschleiert wird."

Quelle

Jule Bönkost. Der Ehre würdig? Fragwürdige Namensgeber für Straßen in deutschen Städten und Gemeinden“, 2017, veröffentlicht auf academia.edu.