Textquelle: Zeitzeugenbericht von Samuel Kariko

Im Süden Namibias stand auf der Haifischinsel, die zu der Zeit auch „Todesinsel“ genannt wurde, eines der berüchtigtsten Konzentrationslager der deutschen Kolonialisierenden. Schätzungseise kamen ca. 3.000 Internierte hier ums Leben. Das Lager wurde aufgelöst. In diesem Lager wurde der geachtete Herero- Lehrer Samuel Kariko von den Kolonialisierenden als Seelsorger eingesetzt. Seine Aufgabe war es, den Gefangenen beizustehen, ihnen geistliche Unterstützung anzubieten und sie zu bekehren. 1919, also nach dem Ersten Weltkrieg, übernahm England die Kolonie und verfasste das sogenannte Blaubuch - eine Auflistung mit allen Greueltaten, die die Deutschen in Deutsch-Südwestafrika verübt hatten. Samuel Kariko sagte Folgendes aus:
 

„Samuel Kariko (Herero schoolmaster and son of Under-Chief Daniel Kariko), states on oath:

When von Trotha left, we were advised of a circular which the new Governor, von Lindequist, had issued, in which he promised to spare the lives of our people if we came in from the bush and mountains where we lived like hunted game. We then began to come in. I went to Okambahe, near my old home, and surrendered. We then had no cattle left, and more than three-quarters of our people had perished, far more. There were only a few thousands of us left, and we were walking skeletons, with no flesh, only skin and bones. They collected us in groups and made us work for the little food we got. I was sent down with others to an island far in the south, at Luderitzbucht. There on that island were thousands of Herero and Hottentot prisoners. We had to live there. Men, women and children were all huddled together. We had no proper clothing, no blankets, and the night air on the sea was bitterly cold. The wet sea fogs drenched us and made our teeth chatter. The people died there like flies that had been poisoned. The great majority died there. The little children and the old people died first, and then the women and the weaker men. No day passed without many deaths. We begged and prayed and appealed for leave to go back to our own country, which is warmer, but the Germans refused. Those men who were fit had to work during the day in the harbour and railway depots.”
 

Übersetzung:

„Samuel Kariko (Herero, Lehrer und Sohn des Herero-Anführers Daniel Kariko) erklärt unter Eid:

Als von Trotha ging, wurde uns ein Rundschreiben des neuen Gouverneurs von Lindequist mitgeteilt, in dem er versprach, das Leben unseres Volkes zu schonen, wenn wir aus dem Busch und den Bergen, wo wir wie gejagtes Wild lebten, herauskämen. Dann begannen wir herauszukommen. Ich ging nach Okambahe, in der Nähe meiner alten Heimat, und ergab mich. Wir hatten damals kein Vieh mehr, und mehr als drei Viertel unseres Volkes waren umgekommen, weit mehr. Es waren nur noch ein paar Tausend von uns übrig und wir waren wandelnde Skelette ohne Fleisch, nur Haut und Knochen. Sie trieben uns in Gruppen zusammen und ließen uns für das wenige Essen, das wir bekamen, arbeiten. Ich wurde mit anderen auf eine Insel weit im Süden, in die Lüderitzbucht, geschickt. Dort auf dieser Insel waren Tausende von Herero und Hottentotten Gefangenen. Wir mussten dort leben. Männer, Frauen und Kinder waren alle zusammengekauert. Wir hatten keine richtige Kleidung, keine Decken und die Nächte dort draußen waren bitterkalt. Der nasse Seenebel hat uns durchnässt und unsere Zähne klappern lassen. Die Menschen starben dort wie Fliegen, die vergiftet worden waren. Die große Mehrheit starb dort. Zuerst starben die kleinen Kinder und die alten Leute, dann die Frauen und die schwächeren Männer. Kein Tag verging ohne viele Tote. Wir bettelten und beteten und baten um Erlaubnis, in unser wärmeres Heimatland zurückkehren zu dürfen, aber die Deutschen lehnten ab. Jene Männer, die fit waren, musste tagsüber im Hafen und auf Bahnhöfen arbeiten.“
 

Anmerkungen: Es handelt sich hier um einen Zeitzeugenbericht, der die Geschehnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts widerspiegelt. Heute sollte der als diskriminierende Begriff „Hottentotten“ nicht mehr verwendet werden (siehe Glossar).

Zitiert wird aus einer annotiierten Neuauflage des Blaubuchs. Die hier gemachten Aussagen sind ausreichend von weiteren Seiten belegt.

Quelle

Jeremy Silvester und Jan Bart Gewald. Words Cannot be Found. German Colonial Rule in Namibia: An Annotated Reprint of the 1918 Blue Book, Leiden: Brill, 2003, 175–177.