Serafim Manhice (Gruppe 2)

Wie haben Sie von der Möglichkeit erfahren, in der DDR befristet arbeiten und leben zu können?

„Ich wurde zu Hause vom Arbeitsamt über die Möglichkeit einer befristen Arbeitsaufnahme in der DDR informiert. Ich ging dann zum Arbeitsamt und erhielt dort alle Informationen, wie ich mich für einen solchen Einsatz bewerben konnte. […] Über Einzelheiten des Vertrages er­hiel­ten wir keine Informationen. Wir wurden nur darüber informiert, dass wir eine Ausbildung erhalten sollten. Was wir aber in dem Betrieb, in dem wir eingesetzt werden sollten, einmal verdienen würden, war uns nicht klar; wir wussten nur, dass wir erheblich mehr verdienen werden als in Mosambik. […] Ich hatte grobe Vorstellungen, wie man in Europa – das war für uns die DDR – lebte. In unserem Vorbereitungscamp konnte man sich mithilfe von auslie­gen­den Broschüren ein Bild machen, wie dort gelebt wird. Über konkrete Arbeitsbedin­gungen wurden wir nicht informiert. Wir wussten jedoch, dass wir zur Ausbildung in die DDR kommen.“
 

Was waren die Gründe, die Sie zur Unterzeichnung des Vertrages bewegte?

In Mosambik tobte zu dieser Zeit der Bürgerkrieg und ich hatte die Möglichkeit entweder Soldat zu werden oder in die DDR zu reisen. Ich wollte nicht am Krieg teilnehmen und so entschied ich mich, die Regierung auf diese Weise indirekt aus der DDR zu unterstützen.“
 

Wie wurden Sie von den neuen Arbeitskollegen aufgenommen? Gab es Ihnen gegen­über als Afrikaner bestimmte Vorbehalte?

„Die Kollegen waren total in Ordnung. Sie nahmen uns mit ihren Herzen auf wie in einer Fami­lie. Vorbehalte und Rassismus spürten wir nicht bei unseren Kollegen; wir fühlten uns gleich­berechtigt. Sie versuchten unsere deutschen Sprachkenntnisse zu verbessern, wir fühl­ten uns sehr menschlich behandelt.“
 

Waren Sie mit den Wohnbedingungen, der Unterbringung in Wohnheimen zufrieden?

„Total super! Wenn ich das vergleiche mit deutschen Freunden, die im Altbau wohnten, mit Ofenheizung, Toilette auf halber Treppe und kohlen schleppen mussten, war das einfach super. Wir hatten in unseren Plattenbau Zentralheizung, warmes Wasser, wir waren mehr als zufrieden.“
 

Konnten Sie die Möglichkeiten einer kreativen Freizeitgestaltung, z. B. sportliche und geistig-kulturelle Aktivitäten, nutzen?

„Ja wir konnten Sport machen, auch zusammen mit unseren deutschen Kollegen. Wir konnten unsere Musik sogar auf dem Alexanderplatz spielten und nutzen auch die kulturellen Möglichkeiten der Stadt Berlin zusammen mit Freunden.“
 

Pflegten Sie über den engeren Kreis ihrer Arbeitskollegen hinaus auch freundschaft­liche Kontakte mit anderen DDR-Bürgern?

„Ja, ich hatte viele Gründe. Die waren lieb und nett. Wir machten zusammen Sport und ver­brach­ten oft die Freizeit miteinander.“
 

Wurden Sie in der Zeit Ihres DDR-Aufenthaltes irgendwie mit Anzeichen von Fremden­hass und Rassismus konfrontiert?

„Nein, das erlebte ich nie während meiner Zeit in der DDR. Die DDR-Bürger behandelten uns als Menschen und nicht als Schwarzer oder Ausländer. Erst nach der Wende erlebte ich das.“

Quelle

Auszüge aus einem Interview mit Serafim Manhice. „Die DDR-Bürger haben uns als Menschen behandelt“, in: Ulrich van der Heyden, Wolfgang Semmler und Ralf Straßburg (Hg.), Mosambikanische Vertrags­arbeiter in der DDR-Wirtschaft. Hintergründe – Verlauf – Folgen, Münster: Lit, 2014, 211-215.