Eine deutsch-mosambikanische Familie

Typisch deutsch gibt es nicht

Wie Typisch deutsch gibt es nicht. Der Vater ist in Mosambik geboren, die Mutter in Berlin. Wie leben die Töchter und Söhne in zwei Kulturen?

Von Monika Herrmann
 

„Was ist typisch deutsch und was mosambikanisch? – Diese Fragen sind Leocadio (16) und seinen Schwestern Ema (15), Cotasse (12) und Naima (11) schon häufiger gestellt worden. Grund: Die Geschwister haben einen Vater, der aus Mosambik stammt, und eine Mutter, die in Berlin geboren ist. […]

Der Vater aus Mosambik

Seine Schwestern bestätigen seine Wahrnehmung. Alle vier Geschwister sind in Berlin gebo­ren. Ihre dunkle Hautfarbe und die krausen schwarzen Haare haben sie von ihrem Vater Eugenio, der als 19Jähriger in die ehemalige DDR kam.

Als er 1981 in Berlin aus dem Flugzeug stieg, war Deutschland für ihn ein total fremdes Land. Aber er hatte die Möglichkeit, hier eine Ausbildung zu machen und Geld zu verdienen. ‚Ich konnte kein Wort Deutsch und ich war in einer mir völlig fremden Kultur gelandet‘, erinnert sich Eugenio Maungue. In einem ‚volkseigenen Betrieb‘, in dem Fleisch verarbeitet wurde, machte er eine Ausbildung zum Facharbeiter. In Mosambik wäre das für ihn nicht möglich gewesen. […]

Verlieben verboten

Manche von ihnen fanden Kontakte zu deutschen Familien, andere nicht. Richtige Freund­schaften zwischen Mosambikanern und Deutschen sollten nicht zu eng werden. Mosambi­ka­nerinnen, die sich in der DDR verliebten und schwanger wurden, mussten zurück in die Heimat. Denn solche intimen Beziehungen waren bei den DDR-Behörden unerwünscht. Außer­dem hatten die Afrikanerinnen sich vertraglich verpflichtet, keine Liebesbeziehungen mit deutschen Männern einzugehen. Wenn sie dann doch schwanger wurden, mussten sie raus. […]

Wenige durften bleiben

Nach der politischen Wende in der DDR gingen die meisten Mosambikaner zurück in die Heimat. Ihre Verträge waren ungültig geworden, weil es die DDR ja nicht mehr gab. Nur diejenigen, die ihre Arbeit behalten konnten, durften bleiben. Manchmal hinterließen die mosam­bikanischen Arbeiter damals eine deutsche Frau und auch Kinder. Einige wenige haben in Deutschland geheiratet, um bleiben zu können. […]

Eine ganz normale Familie

Eugenio Maungue ist im vereinten Deutschland geblieben, hat seine große Liebe Dörte gehei­ratet, und jetzt haben die beiden vier Kinder und leben im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Dörte Maungue sagt, dass sie eine ganz normale Familie seien. Doch das war nicht immer so. ‚Anfangs gab es auch Vorurteile und viel Druck, weil wir erst beweisen mussten, eine ganz normale Familie zu sein.‘ In der evangelischen Gemeinde haben sie sich trauen lassen. Eugenio ist katholisch, Dörte und die Kinder evangelisch.

Die andere interessante Welt

Leocadio, Ema, Cotasse und Naima wachsen zweisprachig auf. Das heißt: Sie sprechen auch die Muttersprache ihres Vaters: Portugiesisch. Ema besucht die Nelson-Mandela-Schu­le, ein internationales Gymnasium […]. Cotasse und Naima lernen auf Europa-Schulen, wo auch Portugiesisch gesprochen wird. Und Leocadio fühlt sich auf seinem katholischen Gymnasium ‚eigentlich ganz wohl‘.

Anmache wegen ihrer Hautfarbe, rassistische Sprüche in der S-Bahn kennen die Maungues nicht. Und im Szene-Stadtteil Prenzlauer Berg ist man sowieso tolerant. Ein bisschen anders ist es, wenn die Geschwister ihre Familie im mosambikanischen Maputo besuchen. ‚Ich wurde dort als weiße Frau wahrgenommen, weil ich so halb weiß, halb schwarz bin‘, erzählt Ema und dass sie das sehr erstaunt habe. Bei der mosambikanischen Großmutter wohnt die Familie, wenn sie Urlaub in Maputo macht.

Die bewohnt ein einfaches Haus am Stadtrand. ‚Wir fühlen uns dort immer total wohl. Es ist eine andere Welt, aber eine sehr interessante und schöne Welt‘, sagt Ema. ‚Es gibt bei­spiels­weise einen großen Hof mit Hühnern und Enten und einem Ahnenbaum.‘ Ema lacht und sagt, dass dies so eine Art heiliger Baum für die Großmutter sei, weil nach afrikanischer Tradition die Ahnen, also die verstorbenen Angehörigen, in den Familien weiterleben. Sie werden bei Entscheidungen zum Beispiel auch um Rat gefragt.

Emas Großmutter heißt wie sie und ist jetzt das Familienoberhaupt. Ein bisschen was davon will die 15jährige Ema in Berlin später auch einmal sein. Cotasse und Naima tragen die Namen ihrer Urgroßmütter. […] Was den Urlaub in Maputo besonders toll mache, sei die Nähe zum Meer. Da sind sich die Geschwister einig. Wann kann man schon mal im Indischen Ozean baden? […]

Und wenn es dann nach sechs Wochen wieder zurück nach Deutschland ging, herrschte trübe Stimmung vor allem bei der Großmutter. ‚Zum Abschied hat sie uns etwas Süßes ge­kocht, das wir allerdings erst in Berlin essen durften‘, erzählt Ema. Sie würde es toll finden, wenn die Oma mal nach Berlin käme. ‚Aber sie ist 87 Jahre alt und möchte auf keinen Fall in der Fremde sterben.‘

Beide Kulturen pflegen

Dörte und Eugenio Maungue möchten, dass ihre Kinder sich in beiden Kulturen gleicher­maßen zu Hause fühlen. In ihrer Wohnung gibt es regelmäßige Treffen mit anderen mosam­bikanischen Familien. Dann wird gefeiert. Es gibt traditionelles Essen und viele Gespräche. Dörte und Eugenio Maungue schließen für sich nicht aus, irgendwann für eine Weile nach Mosambik zu gehen, um dort vielleicht in einem sozialen Projekt zu arbeiten. Ema, Cotasse, Leocadio und Naima sind ein bisschen skeptisch, was das Leben in Mosambik angeht. Schließlich haben sie alle in Berlin viele Freunde. Und sie wollen vor allem erst ihre Schul­abschlüsse machen. Ema möchte studieren, Leocadio auch. ‚Ganz in Mosambik leben? Lieber nicht.‘ Aber die Familie besuchen? ‚Klar, jederzeit.‘

Arbeitsauftrag

1. Beschreibe die Erfahrungen der deutsch-mosambikanischen Familie Maungue hinsichtlich der

    - Integration und Rassismuserfahrungen

    - beruflichen Karriere

2. Beziehungen der Kinder zu den beiden elterlichen Kulturen

Quelle

Gekürzte Version von Monika Herrmann. „Vom Aufwachsen in zwei Kulturen. Typisch deutsch gibt es nicht“, in: Mosambik-Rundbrief 78 (2009), 20–21.