Skript: Sinthuja Arulsingam (Zusatzmaterial für Lehrkräfte)

Meine Eltern kommen aus Sri Lanka, das ist eine kleine Insel südlich von Indien, sind 1986 eingewandert. Also mein Vater ist schon 1984, als mit meiner Mutter mit meiner Schwester schwanger war, ist er schon nach Deutschland. Der war aber irgendwie überall, in den Niederlanden, in Dänemark, genau, und war dann in Ost-Berlin und da ist meine Mama 1986, im Dezember war das, in Frankfurt gelandet und hat dann auch in Frankfurt Asyl beantragt. In Sri Lanka ist ja… war ja vor fünf Jahren noch Bürgerkrieg. Seit 1983 war der Bürgerkrieg bis 2007 ungefähr. Also offiziell ist er natürlich beendet, aber das ist immer noch nicht unbedingt eine friedliche Lage. Genau, das war eigentlich der Hauptgrund, wieso damals sehr viele Tamilen, das war wirklich so eine Welle, die dann Richtung Kanada, Deutschland, USA ausgewandert ist.

Meine Eltern hatten damals noch relativ Glück, dass sie mit dem Flugzeug fliegen konnte. Meine Tante zum Beispiel, die ist 10 Jahre später glaube ich gekommen und musste mit dem Auto sind die dann irgendwie durch Russland, musste sie auch noch durch Russland wandern, durch Schnee und das war also… mit Sandalen oder so, weil sie ja… also weil bei uns ja immer heiß ist und sind dann auch mit diesen Klamotten natürlich losgelaufen. Das war ganz schön hart. Und meine Eltern hatten relativ Glück, muss ich zugeben, damals auch mit dem Asyl beantragen und das war relativ einfach im Gegensatz zu heute. Mein Vater hatte Landwirtschaft betrieben. Also wir waren recht wohlhabende Leute, meine Eltern, auch meine Großeltern, aber damals war das einfach, dass man sich auch ein besseres Leben im Ausland gewünscht hat. Der Krieg fing langsam an und da haben halt viele schon reagiert und dachte, es ist besser, wenn man jetzt geht und nicht noch länger wartet. Genau, und meine Mama hat damals glaube ich ihren ganzen Schmuck verkauft, um meinem Vater das Flugticket zu kaufen. Und meine Oma, also die Mutter von meinem Vater, war damals gar nicht einverstanden, hatten auch glaube ich wochenlang Streit mit meiner Mama.

Mein Vater, also sein Vater ist sehr früh gestorben, als mein Vater Jugendlicher war, um die 17 oder und mein Vater hat ganz viele Geschwister, die ich gar nicht kenne alle, ich glaube um die acht, neun Geschwister noch und er war der Älteste und musste dafür sorgen. Aber die waren relativ wohlhabend, also die hatten Traktoren, was damals schon sehr… also sehr wohlhabende Familien sich leisten konnten und hatten so Bananenplantagen und auf Bildung, muss ich auch zugeben, wurde in der Familie von meinem Vater nicht so viel Wert gelegt, sondern eher auf finanzielle Sachen und auf Geld. Deshalb wurde meine Mama auch damals in diese Familie verheiratet, weil mein Vater von meiner Mutter dachte, dass es ihr da gutgeht, weil sie halt finanziell gut auch in der Gesellschaft dastehen, aber mein Vater war 15 Jahre älter als meine Mama und das war damals egal. Das war eine arrangierte Hochzeit. Es war sogar würde ich sagen Zwangsheirat, weil meine Mama auch gesagt hat, sie will das nicht und auch meine Oma sogar damals dagegen war, weil mein Vater 15 Jahre älter war. Meine Mutter war glaube ich 24 und mein Vater war schon Ende 30. Aber mein Opa und dem war das egal.

Mein Vater, der ist eher naiv so, würde ich sagen. Der hat sich da nicht so groß drum geschert. Der hat seine Landwirtschaft weiter gemacht und dachte, so geht das weiter. Aber meine Mutter hat das dann halt mitbekommen und auch ihre Geschwister sind auch so nach und nach ausgewandert und, genau, dann hat sie halt selber ihren Schmuck verkauft und ihm heimlich ein Flugticket gekauft und ihm dann irgendwie zwei Tage vorher dann Bescheid gesagt, dass er jetzt losfliegen soll. Genau, er ist natürlich auch erstmal direkt ausgerastet und meinte, ich kann hier nicht alle alleine lassen. Seine Geschwister waren noch nicht verheiratet und seine Oma war ja auch ganz alleine ohne Mann. Nachdem mein Vater dann weg war, wurde sie nicht unbedingt gut behandelt, sie war ja auch schwanger noch dazu, wurde auch teilweise geschlagen und hat nicht ordentlich zu essen bekommen, weil man alles auf sie geschoben hat, dass mein Vater jetzt weg ist und dass jetzt nicht mehr der große Sohn im Haus ist. Das war dann ihr Fehler sozusagen. Sie wollte glaube ich einfach da auch weg, weil sie sich da überhaupt nicht wohlgefühlt hat. Also sie wurde da auch nicht akzeptiert wirklich als ein Familienmitglied in der Familie, hat sich einfach hier was Besseres erhofft. Ja, und alleine kann sie ja natürlich gar nicht weg. Entweder als Familie oder gar nicht.

Und dann 1986 ist meine Mama auch wieder direkt schwanger geworden mit mir. Sie erzählt auch immer noch, dass es ein sehr harter Winter war, es war irgendwie kniehoch Schnee, als sie ankam, und sie hatte ja nur so einen Sari an und ein Paar Sandalen oder Flip-Flops und das war echt ein harter Winter. Ich glaube schon nach einem halben Jahr oder so hat sie dann direkt Duldung bekommen, haben eine eigene Wohnung bekommen, in Kaarst war das, ja, seitdem haben sie auch dann in Kaarst gewohnt. Genau, und dann kam ich ja auf die Welt, das war im September, ja, da fing es eigentlich schon an, dass meine Eltern dachte, ich wäre ein Junge. Also bei uns ist es natürlich so, dass jede Familie einen Sohn braucht, es ist ganz wichtig, dass man einen Jungen hat und ich sollte auch ein Junge werden, aber weiß wieso, ich bin doch ein Mädchen geworden und das war wohl echt schockierend, meinte mein Vater, das hat er mir auch mal erzählt, dass er dann geweint hätte, weil ich ein Mädchen geworden bin. Fand ich nicht so schön, aber das meinte er bestimmt nicht so böse. Und dann bin ich eigentlich auch in Kaarst aufgewachsen, ich bin da auch zur Schule gegangen, in den Kindergarten. Irgendwie, wir sind nicht so die typische Familie, wie man sich eine tamilische Idealfamilie vorstellt. Also in Sri Lanka war das bestimmt so, dass mein Vater verdient hat, meine Mutter hat den Haushalt gemacht und sich um die Kinder gekümmert, aber hier war das halt ganz anders. Meine Mutter war berufstätig, mein Vater hat immer nur so Aushilfsjobs gemacht, weil er auch schon relativ alt war und auch sehr viele Sprachprobleme also immer noch hat. Und meine Mutter konnte sich einfach schnell so ein bisschen… also zumindest in dieser Arbeitswelt integrieren, hat viele Jobs gemacht und war sehr fleißig und deshalb, sie war halt immer die Mehrverdienerin bei uns in der Familie, deshalb hat sie irgendwie auch so die Oberhand gehabt. Sie hat immer noch das Sagen bei uns in der Familie. Nach außen natürlich nicht. Obwohl man vielleicht das schon irgendwie mitkriegt, weil meine Mutter ja immer arbeiten ist und alle sagen auch immer, dass meine Mama so fleißig ist und uns auch so gut erzogen hätte, also sie alleine, und als Frau das alles geschafft hat. Das stimmt auf jeden Fall. Also meine Mutter hat als Frau und auch als Migrantin echt eine Menge, Menge geschafft. Hauptsächlich als Reinigungskraft, manchmal auch als Küchenhilfe hat sie auch gearbeitet jahrelang, in einem Restaurant war das, und jetzt im Moment macht sie… im Krankenhaus arbeitet sie als Reinigungskraft, sechs Stunden, und dann macht sie noch einen Aushilfsjob noch als Treppenputzerin/-hilfe. Ja. Das ist halt echt eine harte Arbeit, also putzen ist echt schwer.

Also heute noch redet sie oder wenn man das jammern nennen darf, dass sie halt arbeiten gehen muss und das andere Familien, dass die Frauen zu Hause sind, sich nur um die Kinder kümmern und irgendwie sich die Fußnägel lackieren und sie muss halt arbeiten gehen und dann auch noch die ganze Bürokratie mit uns Kindern natürlich schmeißen und sich um alles kümmern. Das belastet sie glaube ich immer noch. Und darüber ist sie immer noch nicht hinweg, obwohl das ja jetzt schon jahrelang, also meine Eltern sind 26 Jahre hier in Deutschland, damit hat sie sich halt immer noch nicht abgefunden und das findet sie immer noch schrecklich, dass sie so ein Leben hat. Vielleicht hat sie zu viel erwartet. Das ist aber heute noch so, dass die Leute, zum Beispiel meine Oma, die immer noch da wohnt, oder meine andere Tante, dass sie denken, dass es uns hier richtig, richtig gutgeht und wir im Palast wohnen und zwei Autos fahren, keine Ahnung. Aber es ist schwerer hier zu leben als in Sri Lanka, weil wir ja regelmäßig Geld dahin schicken, auch meine ganzen andern Onkel und Tanten schicken ja gemeinsam Geld dahin, und denen geht es eigentlich besser als uns hier. Ich weiß nicht, ob sie es bereut hierhin zu kommen, ich glaube aber nicht, weil sie auf keinen Fall wieder zurückgehen will. Das heißt eigentlich schon, dass sie sich hier wohlfühlt und hier eingelebt hat. Aber ich glaube schon, dass sie das geschafft hat, was sie wollte.

Mein Vater ist echt ein süßer eigentlich. Der ist sehr naiv und würde eigentlich zu allem Ja sagen, wenn ich ihn nett frage, aber weiß halt echt gar nicht so wie die Welt funktioniert. Also der lebt halt echt noch so in seiner eigenen naiven Welt, alle Menschen sind gut und wollen nichts Böses. Also eine Zeit lang, muss ich auch zugeben, da war ich auch sauer, weil meine Mutter so viel gelitten hat wegen ihm, weil er nicht viel gemacht hat, nicht viel gearbeitet hat und weil sie auch deshalb kaum zu Hause war, das fand ich auch nicht so schön, weil ich mir echt manchmal gewünscht hätte, dass wir einfach nur mal in die Stadt gehen oder irgendwie was machen. Ja, aber inzwischen denke ich mir, also der ist schon im Rentenalter und was soll das jetzt noch, mit ihm darüber zu diskutieren oder ihm das irgendwie vorzuhalten. Muss man irgendwie mit leben.

Also ich muss sagen, dass meine Eltern sich, als ich ein Kind war und Jugendliche war, sehr viel gestritten haben. Also inzwischen hat sich das so ein bisschen gelegt, nachdem meine Schwester und ich auch ausgezogen sind, aber damals, das war echt was… Also oft habe ich mir selber als Kind gewünscht, dass sie sich irgendwie trennen oder sich einfach scheiden lassen, wieso die das machen, sich so nicht verstehen und nicht mögen, also als Kind denkt man das ja, dass sie sich irgendwie hassen oder nicht lieben. Und dann habe ich mir echt manchmal gewünscht, dass sie sich einfach trennen, damit ich auch meine Ruhe habe und nicht das immer mit ansehen muss, wie sie sich streiten und teilweise auch handgreiflich werden und…

Ich glaube, damit haben die auch einfach nicht gerechnet, dass es wirklich so schwer wird hier und gerade meine Eltern sind oder meine Mutter besonders ist halt sehr stolz, auch wo sie herkommt, ihre Familie und fragt ungern andere Menschen nach Hilfe. Und damals mit den Sprachproblemen war das halt, sie musste jemanden fragen und wir als Kleinkinder konnten nicht viel machen und dann natürlich immer andere fragen und nett sein und bla. Ich glaube, das hat sie auch einfach wütend gemacht, weil in Sri Lanka war das einfach nicht der Fall. Sie konnte selber ihre Sachen auch regeln, weil sie die Sprache konnte, und hier war das halt alles ganz anders. Meine Mutter ist halt auch, sie erwartet viel von anderen, auch von sich selbst, sie ist sehr ehrgeizig, aber das verlangt sie auch von anderen Menschen und von meinem Vater hat sie natürlich dann auch sehr viel verlangt. Wenn eine andere Familie sich ein Auto gekauft hat, dass er sich auch ein Auto kauft und dass er dann auch noch einen Nebenjob sich noch mal sucht, solche Sachen und da gab es halt immer Stress.

Wir gehören dem Hinduismus an. Da gibt es das Kastensystem und da gibt es insgesamt fünf Kasten und meine Eltern und somit ich auch gehören dann der zweiten Kaste an. Über uns sind nur die Menschen, die jetzt im Tempel wohnen oder da arbeiten, das sind Heilige. Natürlich haben sie sich als was Besseres gefühlt als die, die bei ihnen gearbeitet haben. Also die hatten auch Haushaltshilfen. Das verstehe ich ja heute noch nicht, auch wenn meine Eltern heute darüber irgendwie reden, dann kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen, aber da ist es immer noch gängig, dass man Leute so trennt und dass man auch nur in seiner Kaste beziehungsweise in einer höheren Kaste mit Leuten zu tun hat und die anderen meidet. Das war aber hier, als sie hier waren, war das am Anfang auch noch so, dass die Leute sich untereinander getrennt haben, aber nach und nach hat sich das einfach vermischt, weil es nicht so viele Tamilen gibt. Heute gibt es auch noch Mischehen, wenn man das so nennen darf, zwischen den Kasten, aber das ist halt dann auch nicht unbedingt angesehen.

Genau, ich bin ganz normal zur Grundschule gegangen, in Kaarst war das. Ich war auch eine recht gute Schülerin in der Grundschule. Mir wurde aber trotzdem, obwohl ich dieselben Note hatte meine anderen Freundinnen, wurde mir trotzdem die Realschule empfohlen aufgrund meinem Hintergrund wohl. Meine Eltern haben mich aber trotzdem am Gymnasium angemeldet, ich wurde da auch angenommen und habe da mein Abitur gemacht 2007.

Also ich bin ja erst seit drei Jahren wohne ich ja nicht mehr zu Hause. Davor, muss ich sagen, war mein Leben sehr geprägt von der tamilischen Kultur. Also ich kam nach Hause, da lief tamilisches Fernsehen, meine Eltern hatten… also meine Mutter hatte tamilisches Essen gekocht. Und als Kind bis zu meinem jugendlichen Alter würde ich sagen war es noch recht okay, weil ich durfte da auch rausgehen, ich durfte also nachmittags mich mit meinen Freundinnen treffen, zusammen spielen und nach einer Zeit, als meine Eltern dachten, dass ich so langsam Frau werde, so ab 13, 14 durfte ich halt auch nicht mehr rausgehen. Also mittags, nachmittags nach der Schule vielleicht noch kurz zu einer Freundin oder so, aber ich durfte halt abends nie weg oder ich durfte auch nie in ein Eiscafé irgendwie mit meiner Freundin sitzen und Eis essen, weil andere Tamilen mich sehen könnten, dass ich da sitze und Eis esse. Das verstehe ich bis heute nicht, was da so schlimm dran ist, wenn man Kaffee trinken geht oder mit anderen… also noch nicht mal mit Jungs war ich unterwegs damals. Mit Mädchen.

Heute muss ich sagen, also das finde ich auch irgendwie gemein, dass es heute einfacher ist, mit Freunden rauszugehen. Meine ganzen Cousinen, die jetzt vielleicht sechs, sieben Jahre jünger sind als ich, die haben es halt echt leichter, die machen das. Und damals bei mir oder auch bei meiner Schwester war das halt echt ein absolutes No-Go. Man darf nicht rausgehen, die anderen Leute dürfen dich nicht sehen, dass du irgendwo rumhängst oder irgendwas machst außer dass du in der Schule bist und das war richtig schwer. Und je größer man wird, desto mehr liegt die Freizeitgestaltung ja abends, dass man irgendwie rausgeht, dass man was trinken geht oder auf Partys geht und das wurde dann immer schwerer und irgendwie war mir das unangenehm zu sagen, dass meine Eltern das nicht wollen oder aufgrund meiner Tradition irgendwie ich nicht raus darf. In der Schule habe ich das auch nie jemandem erzählt, weil mir das einfach peinlich war, und so habe ich auch viele Freunde verloren, weil die es einfach nicht verstanden haben, dass ich nicht mitkommen oder dachten, dass ich keine Lust habe. Also ich habe eigentlich immer Ausreden erfunden, dass ich irgendwie zu meiner Tante fahre oder dass wir am Wochenende weg sind etc. Und irgendwann, kann sein, dass sie das gemerkt haben, auch mich… haben die mich auch gar nicht mehr so oft gefragt und wussten automatisch, dass ich irgendwie nicht da bin oder nicht mitkomme. Ja. Also ich muss aber zugeben, dass ich manchmal heimlich, also zumindest auf dem Geburtstag oder so dann meinen Eltern gesagt habe, dass ich bei einer Freundin übernachte, ob ich das darf, das war auch immer eine Diskussion und dann auch wirklich auf eine Geburtstagsfeier gegangen bin zum Beispiel. Es war aber selten. Also heute denke ich mir, wieso hast du es damals einfach nicht erzählt, vielleicht hätten die es auch verstanden, aber es war mir einfach peinlich damals.

Ich war halt auf einer Schule, wo es nicht so viele Schüler mit Migrationshintergrund gab. In meinem Jahrgang glaube ich war noch ein türkischer Junge und zwei aus Rumänien. Ich hatte Bedenken, dass sie das nicht verstehen, weil sie einfach nicht damit so konfrontiert worden sind und ich habe es einfach die ganze Zeit verheimlicht.

Ich habe mich in der Schule immer sehr gut mit denen verstanden in der Schulzeit, aber außerhalb haben wir auch nie was gemacht miteinander. Und dann kamen natürlich immer Themen, ja, am Wochenende haben wir das und das gemacht und es waren dann so für mich Insiderthemen, wo ich nicht mitreden konnte und das war mir dann teilweise auch unangenehm und so langsam entstand so dieser Bruch und dann irgendwann, das klingt jetzt auch krass, aber irgendwann dachte ich mir, so, jetzt mache ich mein Abitur und dann will ich mit denen auch nichts mehr zu tun haben, weil ich einfach nicht so sein konnte wie ich bin. Ich habe ja auch immer jemand anders vorgespielt oder ich war ja immer ganz wer anderes, so ein ganz lockerer Mensch, und wenn ich zu Hause war, dann war ich wieder ganz anders. Zu Hause war ich sehr introvertiert, also habe halt nicht viel geredet, auch mit fremden Leuten, also besonders mit Tamilen. Ich weiß es nicht wieso, aber wenn ich in der Schule bin oder war oder hier, dann kann ich viel besser auf Menschen zugehen oder mit denen reden und mit Tamilen fällt mir das einfach unglaublich schwer. Ich weiß nicht wieso. Das ist ja gerade irgendwie das Ding, dass wir echt wie so eine Parallelgesellschaft sind. Wir leben so an der deutschen Gesellschaft, wenn ich das so sagen darf, nicht vorbei, aber wir leben halt nebeneinander und von uns kriegt man ja so gut wie nichts mit. Wenn wir außen auftreten, dann sind wir echt ganz normal. Wir sind so als hätten wir uns hier super integriert, würden uns hier super einleben und gehören dazu. So habe ich das auch gemacht in der Schule als würde ich dazugehören, aber Lehrer haben also komplett gar nichts mitgekriegt. Ich weiß… aber irgendwie ist mir das immer noch unangenehm darüber zu reden, ich weiß nicht wieso.

Ich weiß gar nicht, ob ich zu der Zeit so was wollte, dass irgendjemand darüber Bescheid weiß und das jemand mitkriegt, dass das bei mir in der Familie so läuft. Aber heute, vielleicht auch weil ich aus so einer kleinen Stadt komme, wo es einfach auch nicht so viele Menschen mit Migrationshintergrund gab und aber jetzt, wo ich in Köln lebe und so viele verschiedene Menschen und auch so viele sage ich mal Deutsche, die sich dafür interessieren, wie es den Menschen mit Migrationshintergrund geht und wie deren Kultur ist und so, irgendwie bestärkt mich das und jetzt bin ich auch sehr froh, dass ich es aus Zufall, aus Schicksal, was auch immer nach Köln geschafft habe.

2007 habe ich ja mein Abitur gemacht und dann habe ich direkt angefangen in Duisburg Soziologie zu studieren. Das habe ich aber nur ein Jahr studiert und dann habe ich 2008 angefangen Bio in Köln zu studieren. Und dann fing die ganze Hochzeitsgeschichte an. Eigentlich fing das schon an, als ich 18 war, weil da hat meine Schwester geheiratet mit 21 und da fingen meine Eltern schon langsam an für mich auch jemanden zu suchen, weil sie meinten, so, mit 18 ist man ja jetzt langsam bereit. Aber ich war noch lange nicht bereit, um zu heiraten und ich habe das auch erstmal gar nicht so ernstgenommen, muss ich sagen, weil ich dachte, du bist jetzt 18, hast gerade Abitur gemacht, irgendwie, ja, mal schauen. Und ich kannte es ja auch nicht anders und damals, muss ich zugeben, wenn ich nicht studieren gegangen wäre, hätte ich das vielleicht sogar gemacht, weil ich es einfach nicht anders kannte und ich dachte, das wäre so Normalität, dass man das macht. Ja. Und dann, ich glaube als ich 20 war und hier Bio studiert habe, oder 21, da war es halt echt akut, also da hatten sie wirklich schon jemanden ganz Bestimmtes und mit der Familie schon irgendwie Kontakt aufgenommen, geredet etc. und irgendwie hatte ich das Gefühl, so, jetzt steht die Hochzeit schon vor der Tür so einen Monat oder so und da habe ich halt Nein gesagt und es gab riesen Stress, wieso ich das mache und der Junge studiert auch und ist doch in Ordnung und die Familie gehört unserer Kaste an und kommt sogar aus derselben Stadt wie meine Eltern und… Das war bei uns halt eine riesen Community, ein riesiges Netzwerk an Leuten. Also meine Eltern kennen wen, der den kennt und also eigentlich kennt man sich untereinander, ich würde jetzt nicht sagen in ganz Deutschland, aber in NRW auf jeden Fall, also kennt man sich einfach. Es gibt auch so Art Singlebörsen, aber nicht im Internet, sondern Leute, die das machen und dafür Geld kriegen, genau, wenn die Hochzeit dann stattfindet. Das sind so ganz normale Leute, die das so nebenberuflich machen und auch echt gut daran verdienen. Bei uns ist es ja normal, dass man Hochzeiten arrangiert, dass die Eltern einen Mann beziehungsweise ein Mädchen, eine Frau für den Jungen suchen und dann kann man den Agenten quasi kontaktieren, dann kann man dem so Daten hinschicken, ein Foto und der hat ja dann auch ganz viele andere Leute noch da und schickt das dann weiter und bei uns hat jeder ein Horoskop, das wird dann individuell für jeden verfasst und wenn das dann passt und natürlich das Foto muss einem auch gefallen, trifft man sich mal, meistens im Tempel, und wenn das dann da gefällt, dann ist das fix sozusagen.

Das war damals der Sohn von einem Familienfreund von meinen Eltern. Ich kannte den auch vom Sehen kurz. Der sah nicht schlecht aus, der war auch ganz nett, aber mich hat einfach dieser Gedanke auch aufgeregt, dass meine Eltern das machen, also dass die das für mich organisieren und ich wollte mir selber immer jemanden aussuchen und ich heirate dann, wenn ich es will und wenn ich mit meinem Studium fertig bin und nicht irgendwie so zwischendurch und dann gucke ich mal, was passiert und… Ja, du kannst ja dann noch studieren, wenn du fertig bist, aber bei uns ist es halt auch echt eine Frage. Der Mann muss halt zustimmen, dass man studieren darf oder auch arbeiten darf. Und deshalb habe ich mich dann auch aus Zufall einfach beim Studentenwohnheim beworben, ja, und wurde angenommen direkt. Vielleicht sollte es auch so sein, dass ich da mal rauskomme, weil immer wenn ich in der Uni war, konnte ich mal ein bisschen abschalten. Das war immer ganz schön. Deshalb bin ich auch gerne zur Uni gefahren. Aber wenn ich zu Hause war, dann war das Thema eigentlich nur das. Heiraten, wann bist du denn endlich soweit, da ist der und der, und wenn du dann noch zu Hause wohnst, dann wirst du halt 24 Stunden lang irgendwie wenn du zu Hause bist, nur damit konfrontiert und du darfst ja dann auch noch nicht mal rausgehen oder dich mit deinen Freundinnen treffen, dass du ein bisschen abschalten kannst. Und dann wurde ich ja angenommen im Studentenwohnheim, ich habe das meinen Eltern erstmal nicht gesagt, habe schon den Vertrag unterschrieben ohne denen das zu sagen. Das war aber auch innerhalb von einer Woche sollte ich da einziehen. Das war auch echt… Es ging alles sehr schnell. Da habe ich denen davon erzählt und sie meinten natürlich erstmal Nein und dann habe ich versucht mit meiner Schwester zu reden, ob die nicht vielleicht mit meinen Eltern reden könnte, weil das auch einfach mit der Pendelei… Pendeln, also das war auch einfach nur doof. Das waren am Tag immer drei Stunden, die mir da verloren gingen. Und sie haben dann irgendwann gar nichts mehr dazu gesagt, dann dachte ich mir okay, vielleicht ist das erstmal okay. Sie haben sich glaube ich mit dem Gedanken erstmal abgefunden, okay, sie studiert ja, also Bildung ist bei uns immer ganz wichtig, deshalb war das erstmal okay aufgrund des Studiums, dass ich dann ausziehe und nicht wegen etwas anderem. Da haben die es irgendwann akzeptiert. Aber froh sind sie heute immer noch nicht darüber, dass ich nicht zu Hause wohne, weil sie auch wissen, dass sie jetzt mich langsam so ein bisschen verlieren, also die Kontrolle über mich verlieren oder auch nicht mehr sehen, was ich mache, wo ich bin.

Am Anfang bin ich jedes Wochenende nach Hause gefahren. Das war glaube ich auch über ein Jahr habe ich das jedes Wochenende durchgezogen, weil ich auch so ein schlechtes Gewissen hatte, dass sie mir das erlaubt haben und ich hatte einfach das Gefühl, ich muss jetzt was zurückgeben, dass sie Ja gesagt haben indirekt und es wusste ja auch niemand, dass ich ausgezogen bin, also meine Familienangehörigen, außer meiner Schwester wusste das niemand und falls sie mal auftauchen oder so, wenn ich nicht zu Hause bin, was sollen meine Eltern sagen. Das war auch noch so ein Argument, wieso ich am Wochenende nach Hause musste. Aber nach und nach war mir das irgendwie auch zu doof, weil ich konnte hier dann auch nichts machen, weil ich immer am Wochenende zu Hause war, also mich mit Freunden treffen oder irgendwie ausgehen, irgendwas.

Also nachdem ich hierhingezogen bin, hat sich mein Leben radikal verändert, muss ich zugeben. Ich wusste auch erstmal gar nichts so mit meiner Freiheit anzufangen, also dass ich wirklich machen konnte, was ich will, dass ich rausgehen konnte. Ich habe auch immer noch ein schlechtes Gewissen, weil ich meine Eltern echt auch oft anlüge, dass ich schon zu Hause bin oder dass ich gleich nach Hause gehe.

Mir war das am Anfang auch noch relativ unangenehm tanzen zu gehen oder auf Partys zu gehen, weil ich das einfach nicht kannte und ich habe mich voll unwohl gefühlt, irgendwie fehl am Platz habe ich mich gefühlt. Auch mit dem Trinken, Alkohol trinken, also ich habe es am Anfang auch gar nicht gemacht. Obwohl ich dann so langsam feiern gegangen bin, habe ich keinen Alkohol getrunken. Und nach und nach dachte ich mir eigentlich, was ist denn eigentlich so schlimm daran. Also ich besaufe mich ja jetzt nicht oder ich nehme ja jetzt keine Drogen oder so. Es ist nur einfach ein bisschen Spaß haben, mit den Leuten rausgehen oder einfach abends auch mal zu jemandem nach Hause und einfach einen Film gucken, das durfte ich alles gar nicht damals. Oder zusammen kochen und ein bisschen zusammensitzen, das war für mich alles ganz neu. Also jetzt noch nicht mal dieses Feiern, also ich bin auch gar nicht so der Partymensch, aber dass man einfach rausgeht, ein bisschen spazieren geht und es ist egal, wer einen sieht. Das ist immer noch sehr schön, dass ich das alles machen kann.

Letztes Jahr hatten meine Eltern wieder jemanden für mich gefunden. Nein, Quatsch, das war sogar vorletztes Jahr im November/Dezember war das und da war ich auch eine längere Zeit zu Hause und ich weiß echt nicht wieso, aber ich hatte einfach auch so ein schlechtes Gewissen, weil meine Eltern wirklich sehr auf mich einreden können, wenn ich zu Hause bin, das ist wirklich unglaublich. Also hier, wenn ich in Köln bin, bin ich immer so fest entschlossen, dass ich das nicht mache, dass ich auf keinen Fall so eine arrangierte Ehe eingehe, dass ich mein Leben lebe und es ist egal, wer was sagt und auch andere Leute, also andere Tamilen, was die sagen. Aber wenn ich dann bei meinen Eltern bin und dann so sehe, wie sie darunter leiden und auch viel weinen wegen mir, das tut mir auch immer leid, dass die wegen mir sehr viel weinen, dann werde ich irgendwie schwach. Also das ist… Dann denke ich immer, okay, wieso, kannst du das jetzt nicht vielleicht doch machen für deine Eltern. Das sagt mir meine Schwester immer, wieso machst du das nicht einfach für deine Eltern? Aber dann diskutiere ich… Das ist ja mein Leben, ich kann ja jetzt nicht… Das ist ja nicht als würde ich jetzt, weiß ich nicht, morgen in die Stadt fahren und wieder zurückfahren. Das ist… Da muss man wirklich ein ganzes Leben mit einem Menschen verbringen für seine Eltern. Ob das das wert ist, das weiß ich halt nicht und… Na ja und letztes Jahr hatten meine Eltern jemanden schon ausgesucht und mir davon nicht erzählt, weil die wussten, dass ich Nein sage. Eine Woche, bevor der Junge quasi zu uns nach Hause kommen wollte mit seiner Familie, haben sie mir das gesagt, und ich weiß nicht wieso, aber ich habe keinen Aufstand gemacht. Also ich war natürlich beleidigt und habe ein bisschen geschmollt vielleicht und die haben auch gemerkt, dass ich irgendwie nicht damit einverstanden bin, aber ich weiß nicht… Ich kann es mir heute noch nicht erklären, wieso ich nicht damals einfach so strikt Nein gesagt habe und nach Hause gefahren bin. Ich bin trotzdem dageblieben und habe das irgendwie so über mich ergehen lassen. Dann war der Junge bei uns zu Hause mit der Familie, haben gegessen, er war auch wirklich super nett, aber… also ich fand den einfach immer doof, aus Prinzip schon so, es gefällt mir nichts, was er macht und was er sagt. Und dann hatten meine Eltern mit seiner Familie Kontakt, ich mit ihm nicht so, und dann im Januar war das… Februar war das sogar schon ich glaube, ich habe… Ich weiß auch nicht, wieso ich so lange gewartet habe, aber dann habe ich dem Jungen, ich hatte die EMail-Adresse von dem, weil ich ja damals die Fotos von ihm bekommen hatte, einfach einen Brief geschrieben, dass es mir leid tut und dass ich das nicht kann und dass meine Eltern nichts damit zu tun haben, aber dass ich einfach nicht finde, dass es irgendwie so zwischen uns stimmt und dass ich auch einfach nicht so eine arrangierte Ehe machen will. Abgeschickt und der war auch super nett, hat mir direkt zurückgeschrieben, okay, wenn du das nicht kannst, dann ist das kein Problem. Ja, und dann musste ich das natürlich meinen Eltern erzählen, dass ich das gemacht hatte und ich weiß nicht, ob es feige war, dass ich nicht nach Hause gefahren bin, sondern das per Telefon gemacht habe, aber ich habe mich einfach nicht getraut nach Hause zu fahren. Ich habe dann angerufen und denen das erzählt und meine Eltern sind natürlich ausgerastet, aber erst haben sie mir… haben sie noch versucht mich umzustimmen, dass du das irgendwie so gemacht hast und das gar nicht ernstgemeint war und ob er das denn… dass wir das einfach vergessen und von vorne anfangen. Glaube ich eine halbe Stunde haben sie versucht mich umzustimmen und ich habe es halt nicht gemacht und dann, ich glaube ich habe drei Stunden mit meiner Mutter telefoniert. Eigentlich hat sie nur die ganze Zeit geschrien und geredet, aber ich habe mich nicht getraut aufzulegen. Ich dachte echt, sie kriegt gleich einen Herzinfarkt. Meine Mutter hatte ja hohen Blutdruck und das ist für sie eh nicht so gut, aber sie ist halt echt schnell auf 180 und dann hat sie aufgelegt und meinte von wegen ich soll mich nicht mehr melden und dass ich nicht mehr ihre Tochter bin. Hat sie aufgelegt einfach so. Da war ich auch froh, dass meine Freundin damals mit dabei war. Irgendwie war ich egoistisch in dem Moment. Also das… irgendwie war mir mein Leben wichtiger als das, dass die anderen Leute nicht, also anderen Tamilen nicht über mich reden oder über meine Eltern reden. Dachte ich mir, das kannst du doch nicht aushalten ein Leben lang, nur weil andere vielleicht von dir denken, wieso bist du noch nicht verheiratet oder so.

Ja, und dann hatte ich damals, das war letztes Jahr, auch ein halbes Jahr keinen Kontakt zu meinen Eltern. Ich muss auch zugeben, ich habe die ersten Monate, ich glaube drei Monate nicht versucht zu Hause anzurufen, aber auch einfach, weil ich davon Abstand bekommen wollte. Aber es war halt echt eine harte Zeit, weil ich einfach so sehr ein schlechtes Gewissen hatte. Ich war nur noch zu Hause, habe auch nur die ganze Zeit geweint und… weil ich wusste, dass meine Eltern jetzt auch gerade zu Hause sitzen und über mich nachdenken, das wusste ich, aber… und dass ich denen so viel Kummer bereite, das habe ich einfach nicht ertragen.

Genau, da ist auch noch was anderes passiert, das ist aber auch unbewusst passiert, das wollte ich eigentlich gar nicht, dass ich meinen jetzigen Freund kennengelernt habe vor zweieinhalb Jahren ungefähr. Ich wusste damals selber nicht, was ich will ehrlich gesagt. Also ich wusste, dass ich keine tamilische Ehe, keine arrangierte Ehe eingehen will, aber ich hätte auch nicht gedacht, dass ich jetzt mit einem Deutschen zusammen sein will oder werde oder überhaupt mal mir selber einen Freund suche oder finde. Das war alles ganz unerwartet kam das. Da war ich was trinken mit einer Freundin, mit der Tanja, und er war da auch mit drei Freunden, mit zwei Freunden war er da und wir dachte uns eigentlich, ja, wir trinken jetzt was und gehen wieder nach Hause, aber irgendwie hat sich das… ja, die haben uns angesprochen, erstmal nur so, weil der andere, der dabei war, wollte eigentlich was von Tanja und so kam das, entstand das dann. Zweieinhalb Jahre sind wir jetzt zusammen. Das ist überhaupt nicht einfach und gerade für ihn glaube ich auch gar nicht einfach. Ich bin auch sehr froh, dass er das so lange schon mit mir aushält oder mit meinen Problemen, weil ich ihn wirklich da auch sehr mit einbeziehe, aber ich will auch einfach, dass er das weiß, wie es ist und wie es mir geht und wie meine Eltern drauf sind. Das tut mir auch immer leid, dass ich ihn nicht mit nach Hause nehmen kann, dass er meine Eltern nicht kennenlernt oder dass ich ihn nicht einfach mal mit nach Hause, so, jetzt machen wir was oder jetzt essen wir alle zusammen zum Beispiel. Weil ich seine Eltern auch kennengelernt habe. Und gerade wenn er mich dann so sieht, wenn ich echt mal so scheiße drauf bin oder gerade wieder irgendwie Stress mit meinen Eltern habe, das belastet ihn sehr, weil… Das sagt er mir auch, dass er manchmal nicht weiß, wie er damit umgehen soll oder wie er mir helfen soll, weil er kann… Er sagt mir ganz oft, ich soll ihm sagen, was er tun soll, aber ich kann ihm das nicht sagen, also was soll ich ihm sagen, was er machen soll? Das hat erstmal ja auch nichts mit ihm zu tun und ich kann jetzt auch nicht verlangen, dass er mich jetzt heiratet, weil das… Ich glaube, wenn ich das jetzt sage, wäre das vielleicht nicht ganz so schlimm, wenn ich meinen Eltern sage, so, wir heiraten jetzt. Aber das will ich meinem Freund einfach nicht zumuten, weil er das auch nicht so verdient, dass ich ihn jetzt so unter Druck setze, dass er mich jetzt heiraten muss und das jetzt. Weil er das selber noch nicht will, das weiß ich ganz genau und für mich so ein Opfer bringen, ich weiß nicht, ob ich damit leben kann, wenn er das für mich so tut. Wenn ich das meinen Eltern sage, dann… Also davor habe ich Angst, sonst hätte ich denen das schon glaube ich gesagt. Aber weil das auch einfach echt… ich meine, seitdem ich 18 bin, das geht über 7 Jahre so. Ich glaube auch, dass so langsam meine Eltern auch die Schnauze voll haben, dass ich auch jedes Mal Nein sage oder mich irgendwie da rausrede.

Ich werde auf jeden Fall erstmal zu Ende studieren. Ich bin auch froh, dass ich alleine wohne. Also ich will auch weiterhin alleine wohnen bleiben. Also ich bin mit meinem Freund noch zusammen und ich will auch natürlich mit ihm zusammen sein und jetzt auch wenn es sehr hart klingt, wenn meine Eltern das nicht akzeptieren, dann ist es nun mal so. Wenn die das, was andere Leute oder was andere Tamilen über mich reden, über mein Glück stellen oder über mein Leben, dann ist es nicht das, was Eltern machen sollten finde ich.

Vielleicht bin ich ein Mensch mit Migrationshintergrund, aber ich fühle mich auf jeden Fall Deutsch und meine Eltern bereuen es auf jeden Fall, dass ich hierhingezogen bin, weil die wissen, dass das alles so gekommen ist, weil ich ausgezogen bin. Ich glaube auch, dass ich vielleicht nicht so gewesen wäre, aber ich finde das nicht schlimm. Ich finde das sogar gut, weil ich mich selber hier kennengelernt habe. Ich wäre zu Hause einfach nicht eingegangen, aber ich wäre einfach ein ganz normales Mädchen, Schule fertig, vielleicht Studium fertig und, ja, heiraten. Aber ich hätte nichts von der Welt gesehen, ich hätte nicht gereist, ich hätte nicht gesehen, wie andere Kulturen leben. Vielleicht hätte ich das bei den Deutschen noch gesehen, aber ich hätte halt nichts erlebt oder nichts gesehen. Ich glaube auch, dass es meinen Eltern fehlt, dass sie nicht rausgehen, dass sie nur in ihrer Kultur oder mit ihren Leuten zu tun haben, dass sie deshalb so engstirnig sind, dass sie so beharren auf ihrer Tradition und auf ihrer Kultur.

Ich würde Sri Lanka nicht als meine Heimat bezeichnen. Ich war einmal da, jetzt mit 15 war ich da. Es war schön meine Oma zu sehen und meine anderen Verwandten, aber ich muss zugeben, das hat mir nicht wirklich was bedeutet da. Also es war schön zu sehen, wie meine Mutter damals gelebt hat, wie mein Vater damals gelebt hat, aber Heimat ist für mich einfach da, wo ich mich wohlfühle und wo ich so sein kann wie ich bin und dass man ohne Zwänge irgendwie lebt.

Hördatei: 34 min.