INTERVIEWAUSZUG: Gülay

Lasst uns, wie ihr auch gelassen werden möchtet

Gülay Akın, 35 Jahre, Berlinerin türkischer Abstammung, Lebens-Künstlerin, Machoprinzes­sin, lesbisch

 

Gülay: Meine ersten homoerotischen Erfahrungen hatte ich mit meiner Cousine. Das ging über ein paar Jahre, und ich denke weder ihr, noch mir war damals klar, was das tatsächlich hieß, dass wir uns liebten. Meine Mutter hatte einen bunt gewürfelten Freundeskreis, darunter auch Frauen, die einander liebten, also war mir das nicht wirklich fremd. Frauen haben mich, obwohl ich auch Beziehungen zu Männern hatte, schon immer angezogen. Das erste Mal verliebte ich mich mit etwa neun oder zehn Jahren in eine Freundin meiner Mutter, die Liesel hieß. Sie war Deutsche, hatte blaue Augen, lange dunkelblonde Haare und ein sehr warmes Lächeln, und wenn sie Türkisch sprach mit ihrem Akzent, dann schmolz ich so vor mich hin, wie es halt Neun- bis Zehnjährige nur können. (...)

Das große „Coming Out» in dem Sinne gab es für mich nicht. „Ich habe mich in eine Frau verliebt“ und „ich bin mit einer Frau zusammen», waren meine unspekta­ku­lären und selbstverständlichen Worte. Meine Geschwister und Freunde/innen dach­ten, das sei mal wieder irgendeine „Gülay-Phase“ und ginge irgendwann vorbei. Dies ist wohl eine nimmer enden wollende Phase…

Noch immer gibt es Menschen in meinem Umfeld, die nicht in der Lage sind, meine Art der Liebe, d.h. letztendlich mich, ernst zu nehmen. Ich lasse mich davon nicht beeindrucken. Immer wieder versuchte ich, solchen Menschen verständlich zu machen, worum es mir ging – nämlich um die Liebe zum Menschen, egal ob Mann oder Frau. Aber ich merkte rasch, dass man an die Ignoranz dieser Welt nicht ran kommt. (...)

Quelle

Gladt e.V. (Hg.). Anti Homophobika, Berlin, 2007, 12–13, https://issuu.com/ufuq.de/docs/homophobika/2, zuletzt geprüft am 13. November 2019.