Geschichten des Hip-Hop

Die Kunst- und Kulturbewegung des Hip-Hop entstand in den 1970er Jahren in dem New Yorker Stadtbezirk Bronx. Der aus Jamaika stammende DJ Kool Herc gilt als einer der Pioniere der Szene. Im Jahr 1973 begann er mit der Organisation von Hip-Hop-Partys in der Bronx. Ebenso organisierten junge Migrant*innen aus der Karibik Veranstaltungen auf der Straße und später in Clubs und machten damit auch auf die politischen und sozialen Probleme in ihren Herkunftsländern sowie ihre schwierige Situation als Migrant*innen in den Vereinigten Staaten aufmerksam. Hip-Hop-Pionieren wie DJ Kool Herc, Afrika Bam-baataa, MC Sha Rock oder Roxanne Shanté war es ein Anliegen, junge Menschen in schwierigen Lebenssituationen anzusprechen und ihnen Alternativen für ihr Leben aufzuzeigen.

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Die ersten Hip-Hop-Künstler*innen nahmen Elemente von anderen Orten und anderen Kulturen auf. So brachte DJ Kool Herc das Soundsystem aus Jamaika (woher seine Familie kam) mit, und Afrika Bambaataa orientierte sich an afroamerikanischen und afrikanischen Traditionen des Geschichtenerzählens und Musikmachens, darunter Stilmittel wie das Wortspiel und die Wiederholung, Elemente der Poesie, des Spoken Word,[1] Jazz, Blues und Reggae. Man kann also sagen, dass Hip-Hop eine Kultur mit unterschiedlichen, miteinander verbundenen Ursprüngen ist.

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Obwohl die ersten und sichtbarsten Ausdrucksformen des Hip-Hop in den Vereinigten Staaten auftauchten, ist es wichtig zu erwähnen, dass ähnliche Formen des Erzählens schon davor in Afrika praktiziert wurden. In westafrikanischen Ländern erzählten die so genannten Griots Geschichten auf eine sehr rhythmische Art und Weise, die begleitet wurde von Trommeln. Heute sind die Verbindungen zwischen diesen beiden Regionen bei Künstler*innen wie Rosa Ree aus Tansania sichtbar.

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Afrika Bambaata (Bronx, New York) gründete die Gruppe Universal Zulu Nation. Am Anfang nutzten die Künstler*innen Hip-Hop als eine Form des Widerstands gegen Diskriminierung und Unterdrückung innerhalb ihrer Gemeinden und als Alternative zur Bandenkriminalität. In seinen Anfängen wurde Hip-Hop live auf Partys gespielt, auf denen sich Rapper*innen, DJs/DJanes, Breakdancer*innen und Graffiti-Künstler*innen trafen.

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In den 1980er Jahren begann die Produktion von Hip-Hop Musik in größerem Stil. Mit den kommerziellen Interessen entstanden dann auch neue Formen des Hip-Hop wie der Gangsta-Rap, der Gewalt und Sexismus verherrlicht. Gleichzeitig verbreitete sich Hip-Hop an unterschiedlichen Orten auf der Welt, an denen junge Menschen in schwierigen politischen und sozialen Verhältnissen ihn nutzten, um ihre Erfahrungen und ihren Widerstand auszudrücken.

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In Deutschland gründeten Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre viele junge Migrant*innen Hip-Hop-Gruppen. Unter ihnen war die Gruppe Advanced Chemistry, die im Jahr 1987 von jungen Afro-Deutschen (und einem Mitglied mit haitianischer Herkunft) gegründet wurde. 1992 veröffentlichte Advanced Chemistry das Lied „Fremd im eigenen Land“, in dem sie sich mit dem Rassismus befassten, den sie selbst in Deutschland erlebten. Die Gruppe war auch Teil der von Afrika Bambaataa gegründeten Organisation Zulu Nation.

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In Mittelamerika erlebte Hip-Hop von den 1990ern bis in die 2000er Jahre einen großen Boom. Vorangetrieben wurde dieser durch die Kommerzialisierung der Musik. Mittelamerika war in den 1970er und 80er Jahren von Diktaturen, Kriegen, Gewalt und starken Migrationsströmen geprägt, insbesondere in die Vereinigten Staaten. Jugendliche machten sich in diesem Kontext Hip-Hop zu eigen und begannen Hip-Hop und seine verschiedenen Elemente (Rap, DJing, Breakdance und Graffiti) zu nutzen, um sich mit diesem gesellschaftlichen Kontext auseinanderzusetzen. In den letzten Jahren ist Hip-Hop auch immer populärer geworden, um u. a. das Bewusstsein für Sexismus, Umweltzerstörung und die oft schwierigen Situationen indigener Gemeinschaften zu schärfen. Und es gibt auch immer mehr Frauen aus Mittelamerika, die rappen und damit international bekannt geworden sind, wie Rebeca Lane (Guatemala), Mafe Carrero (Nicaragua) und Nakury (Costa Rica). Diese Künstler*innen verbinden den Rap mit ihrem Engagement für die Rechte von Frauen und indigenen Gemeinschaften.

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In Kuba bildete sich Anfang der 2000er Jahre eine große Hip-Hop-Bewegung innerhalb der afrokubanischen Jugend. In dieser Zeit veränderten sich viele Dinge in Kuba. Seit dem Ende des Kalten Krieges 1998 litt das Land unter einer Wirtschaftskrise. Außerdem begannen einige Teile der Bevölkerung den Erfolg der Kubanischen Revolution in Frage zu stellen. Künstler*innen wie das Duo Obsesión versuchten, auf verschiedene Probleme aufmerksam zu machen, insbesondere auf den bestehenden Rassismus. Darüber hinaus bildete sich innerhalb der kubanischen Hip-Hop-Bewegung eine starke Bewegung von Afro-Frauen, die bis heute wichtige Referenzpunkte für feministische und antirassistische Bewegungen in Kuba sind.


[1] Hierbei wird Lyrik oder eine Erzählung vor Publikum vorgetragen.

 

Quelle

Adaptierte Fassung, Originaltext: Julia Roth und Edith Otero Quezada (2020). „Geschichte des Hip Hops“, in: Schwabe, Nicole, Cornelia Giebeler, Cruz Armando González, Julia Roth, Edith Otero Quezada und Deniz Topuz (2020). „Hip Hop y Gender. Feministische Perspektiven für die außerschulische und schulische Bildungsarbeit“. CIAS Unterrichtsmaterialien­reihe „Wissen um globale Verflechtungen“, Mappe 9, Bielefeld: kipu Verlag, S. 15-16, https://uni-bielefeld.com/einrichtungen/cias/publikationen/unterrichtsmaterial/index.xml, zuletzt geprüft am 11. Juli 2022.