Antiziganismus
Rassistischen Klischees zu Sinti*zze und Rom*nja begegnen

Ablaufplan
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Stunde 1: Einstieg in das Thema: Der "Fall Maria"
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Lernziele
- Die Schüler*innen (S*S) erarbeiten sich grundlegende Informationen zu den Ereignissen und zur anschließenden öffentlichen Debatte zum „Fall Maria“.
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Vorbereitung
- Flipchart, Tafel oder Smartboard stehen zur Verfügung.
- Beamer und internetfähiger PC zum Zeigen des Videos (Material 1) stehen zur Verfügung.
- Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von den Materialien 2-4 an.
- Mithilfe der Hintergrundinformation aus Material 13 informiert sie sich vorab.
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1 . Einstieg
Dauer 5 min- Einstieg in das Thema mit einem Video der Deutschen Welle (Material 1). Ggf. kann auch das Transkript zum Video als Unterstützung ausgeteilt werden (Material 2).
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2 . Unterrichtsgespräch
Dauer 5 min- Die Lehrkraft klärt grundlegende Verständnisfragen.
- Folgende Fragen könnten aufkommen:
- Wer oder was sind „Rom*nja“?
- Was ist mit dem Z-Wort gemeint?
- Was ist Antiziganismus?
- Hinweis: Die Lehrkraft sollte lediglich so viel Verständnis herstellen, wie für das grundlegende Verstehen des Films notwendig ist. Alle Fragen werden im weiteren Verlauf noch einmal aufgegriffen. Darüberhinausgehende Informationen werden in der Arbeitsgruppenphase erarbeitet. Wer oder was sind „Rom*nja“? Was ist mit dem Z-Wort gemeint? Was ist Antiziganismus?
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3 . Erarbeitung
Dauer 15 min- Die Lehrkraft bildet unter den S*S zwei gleich große Gruppen.
- Gruppe 1 beschäftigt sich mit dem Pressematerial auf Arbeitsblatt 1 (Material 3), ergänzt dieses mit eigener Internetrecherche und beantwortet die Aufgaben auf dem Arbeitsblatt.
- Gruppe 2 liest die Pressemitteilung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma auf dem Arbeitsblatt 2 und bearbeitet dies (Material 4). Auch hier kann eine zusätzliche Internetrecherche durchgeführt werden. Die Lehrkraft steht betreuend zur Seite und hilft offene Fragen zu klären und Verständnisprobleme zu mindern.
- Die Gruppen können auch ermuntert werden, selbst ein Beispiel für diskriminierende Berichterstattung zu suchen und der Klasse zu präsentieren. Dazu können Schlagworte wie „Maria“, „Rom*nja“ „Griechenland“ „Entführung“ in einer Online-Suchmaschine eingegeben werden. Diskriminierende Berichterstattung findet sich häufig in Berichten, die vor dem 25. Oktober 2013 verfasst wurden.
- Wenn ein solches Beispiel verwendet wird, ist es wichtig, auf Elemente diskriminierender Medienberichterstattung einzugehen. Hierzu gehören:
- Unzulässige Verallgemeinerungen
- Unzulässige Vorannahmen und/oder Schlussfolgerungen
- Suggestivfragen, die eigentlich Aus-sagen transportieren
- Unkommentierte Verwendung diskriminierender Aussagen Dritter
- Auswahl des Berichteten: Stereotype Bilder
- Emotionalisierende oder schockierende Sprache
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4 . Präsentation der Ergebnisse
Dauer 20 min- Die S*S stellen die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeit für die anderen S*S kurz vor.
- Dazu kann entweder ein Smartboard verwendet werden oder relevante Informationen können an die Tafel geschrieben oder per Flipchart visualisiert werden.
- Die Lehrkraft kann evtl. falsche Informationen korrigieren oder fehlende und weiterführende Informationen ergänzen. Siehe dazu Hintergrundinformation (Material 13).
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Stunde 2: Vertiefung zum antiziganis-tischen Vorurteil der "Kindesent-führung"
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Lernziele
- Die S*S setzen sich anhand verschiedener Beispiele intensiv mit dem Vorurteil der Kindesentführung durch vermeintliche Sinti*zze und Rom*nja auseinander.
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Vorbereitung
- Flipchart, Tafel oder Smartboard stehen zur Verfügung.
- Beamer und internetfähiger PC zum Zeigen des Videos (Material 5) stehen zur Verfügung.
- Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von den Materialien 6-9 an.
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5 . Vertiefender Einstieg
Dauer 5 min- Zum Beginn der Stunde zeigt die Lehrkraft auf, wie an dem „Fall Maria“ gesehen werden kann, dass Sinti*zze und Rom*nja vielen Vorurteilen ausgesetzt sind. Sie stellt dar, dass diese Vorurteile unter dem Begriff „Antiziganismus“ gefasst werden.
- Die S*S schauen gemeinsam den Erklärfilm „Was ist Antiziganismus?“ (Material 5) an. Auch hier kann zusätzlich das Transkript ausgeteilt werden (Material 6).
- Zusätzlich berichtet die Lehrkraft von aktuellen Studien zu Vorurteilen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja:
- 58% der Deutschen besitzen das Vorurteil, dass Sinti*zze und Ron*nja kriminell sind
- 57% glauben, dass sie ein Problem damit hätten, wenn Sinti*zze und Rom*nja in ihrer Nähe wohnen würden.
- 3/4 der befragten Sinti*zze und Rom*nja erlebten in Deutschland Benachteiligung am Arbeitsplatz, von Nachbar*innen oder an anderen öffentlichen Orten.
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6 . Nachfragen
Dauer 5 min- Im Anschluss an den Film besteht erneut die Möglichkeit offene Fragen zu klären.
- Zum Ende der Diskussion legt die Lehrkraft den Fokus noch einmal auf die Sätze: „Zerrbilder aus historischen Fakten, vermischt mit Vorurteilen und uralten Ängsten. […] Denn Sinti und Roma waren über Jahrhunderte hinweg völlig ohne Rechte. […] Sie durften keine sesshaften Berufe ausüben. […] Diskriminierungen aus denen Klischees entstehen, ein Teufelskreis.“
- Im Anschluss weist die Lehrkraft darauf hin, dass eines der Vorurteile, die schon seit Jahrhunderten bestehen, das Vorurteil der sogenannten Kindesentführung sei. Dazu erfolge nun eine weitere Gruppenarbeit.
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7 . Transfer in Gruppenarbeit
Dauer 15 min- Die S*S beschäftigen sich in Kleingruppen mit verschiedenen Beispielen für das Vorurteil der „Kindesentführung“ und beantworten die Arbeitsaufträge.
- Gruppe 1: Falschmeldungen auf Facebook (Material 7)
- Gruppe 2: Der Glöckner von Notre Dame (Material 8)
- Gruppe 3: Angriffe in Italien (Material 9)
- Die S*S beschäftigen sich in Kleingruppen mit verschiedenen Beispielen für das Vorurteil der „Kindesentführung“ und beantworten die Arbeitsaufträge.
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8 . Präsentation der Ergebnisse
Dauer 20 min- Die S*S stellen sich gegenseitig vor, was sie erfahren haben. Dabei sollte ein Schwerpunkt darauf liegen, welche Rolle das Vorurteil der Kindesentführung in ihrem Beispiel gespielt hat.
- Im Anschluss sollten die S*S die Frage diskutieren, ob ihre Beispiele Ähnlichkeit mit dem „Fall Maria“ haben und welche Unterschiede es gibt.
- Kennen die S*S andere Beispiele für dieses Vorurteil?
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Stunde 3: Vertiefung zu essentiali-sierenden Vorstellungen von 'Kultur' oder 'Ethnie'
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Lernziele
- Die S*S lernen und reflektieren, wie die Konstruktion von Menschengruppen aufgrund essentialisierender Merkmale Ausschließung und Diskriminierung erzeugen kann.
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Vorbereitung
- Die Lehrkraft informiert sich mithilfe von Material 10 über die Durchführung des Rollenspiels.
- Es sind farbige Klebepunkte vorhanden.
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9 . Rollenspiel
Dauer 15 min- Die Lehrkraft führt mit der Klasse die Übung „Punkt auf der Stirn“ durch. Das Rollenspiel ermöglicht der Lehrkraft, mittels einer spielerischen Erfahrung die S*S dazu anzuleiten, Gruppenbildungs-, Rassifizierungs- sowie Ein- und Ausschlussprozesse zu diskutieren und zu reflektieren. An das Spiel selbst schließt sich eine ausführliche Auswertungs- und Diskussionsphase an. Hinweise zur Durchführung können Material 10 entnommen werden.
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10 . Auswertung des Rollenspiels
Dauer 30 min- In der Auswertung können folgende Fragen eine Rolle spielen:
- Welche Gründe waren ausschlag-gebend für die Gruppenbildung?
- Wie haben die einzelnen S*S den Gruppenfindungsprozess wahrgenommen? Fühlten sie sich willkommen? Wurden sie nur geduldet?
- Wie haben die S*S es empfunden, dass sie mit den Aufklebern „markiert“ wurden?
- Zusätzliche Impulse zur Auswertung der Übung finden Sie in Material 10.
- Für den anschließenden Transfer zur lebensweltlichen Erfahrung der S*S bieten sich folgende Impulse an:
- Wer bestimmt, wer wir sind und welche Identität wir haben?
- Wie bilden sich Gruppen im Schulalltag der S*S?
- Inwiefern könnten diese Gruppenbildungsprozesse problematisch sein?
- Wie kann es gelingen achtsamer mit Ausschlussprozessen umzugehen?
- Nähere Informationen zum Transfer entnehmen Sie bitte ebenfalls Material 10.
- In der Auswertung können folgende Fragen eine Rolle spielen:
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Stunde 4: Transfer zum "Fall Maria" und Zusammen-fassung
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Lernziele
- Die S*S verstehen den Essentialisierungsprozess, der dem „Fall Maria“ zugrunde liegt.
- Die S*S schaffen es, den Prozess der Essentialisierung und den Prozess der Zuschreibung als zwei Schritte der Entstehung antiziganistischer Vorurteile zu begreifen.
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Vorbereitung
- Flipchart, Tafel oder Smartboard stehen zur Verfügung.
- Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von Material 11 an.
- Vorab liest sie die Hintergrundinformation (Material 14) und schaut sich als Vorlage das Schaubild aus Material 12 an.
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11 . Transfer zum "Fall Maria"
Dauer 20 min- Für die Überleitung zum Thema Antiziganismus fragt die Lehrkraft die S*S, ob ihnen, vergleichbar mit den Aufklebern aus der Übung, einfällt, welches Merkmal in dem Beispiel aus der letzten Stunde entscheidend für die Zuordnung zu einer Gruppe war.
- Die Lehrkraft stellt einen Rückbezug zur Pressemitteilung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma (Material 4) her:
Zitat: „Die Polizeiaktionen basierten nach Auffassung des Zentralrates allein auf pseudo-ethnischen Kriterien, daß nämlich blonde Kinder bei Roma einen polizeilichen Verdacht auslösen.“ - Danach zeigt die Lehrkraft noch einmal das Foto von Maria und ihren Pflegeeltern aus dem Film der Deutschen Welle (Material 1). Sie fragt, ob die S*S sich vorstellen können, warum genau dieses Foto, in fast in allen Medien abgedruckt wurde?
- Falls dieses Thema nicht von selbst aufkommt, kann eine weitere Frage an die S*S lauten: „Was glaubt Ihr, was wäre geschehen, wenn die Haut- und Haar-Tönungen getauscht gewesen wären?“
- Ein Hinweis kann hier auf den ersten Absatz des Sachtextes in Material 3 verweisen.
- Für einen abschließenden Transfer-schritt zeigt die Lehrkraft ein Foto, das die Bundeszentrale für politische Bildung verwendet, um einen Artikel zum Thema „Sinti und Roma als Feindbilder“ zu illustrieren (Material 11).
- Für die Diskussion des Fotos stellt die Lehrkraft die Frage, ob die S*S glauben, dass das Bild für diesen Zweck verwendet worden wäre, wenn Maria hier abgebildet wäre?
- Dabei ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisierten „pseudo-ethnischen Kriterien“ nicht nur in rechten oder populistischen Kreisen vorhanden sind, sondern dass diese – häufig unbewusst – selbst von seriösen Medien und seriösen Organisationen verwendet werden.
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12 . Zusammenfassung des Erlernten in einem Schaubild
Dauer 25 min- Die Lehrkraft erstellt ein Schaubild, das ein grobes Schema der Entstehung antiziganistischer Vorurteile darstellt (siehe Material 12).
- Die Lehrkraft sollte in Vorbereitung auf diesen Teil den Text „Die Wirkungs-weise der antiziganistischen Vorurteils-struktur“ (Hintergrundinformation 2) gelesen haben. Dort werden die drei Schritte erklärt.
- Es ist hilfreich, das Schaubild während der Erläuterung zu erstellen und nicht das fertige Schaubild zu projizieren.
- Die Lehrkraft sollte insbesondere die beiden Schritte eins und zwei ausführlich erläutern. So wird sowohl die Einteilung aufgrund einer vermeintlich einheitlichen Hauttönung von Rom*nja (Schritt 1), als auch das das Vorurteil der Kindesentführung als Zuschreibung an Rom*nja nochmals aufgegriffen (Schritt 2) und in einen Zusammenhang gebracht.
- Abschließend kann die Lehrkraft erklären, dass eine solche antiziganistische Wahrnehmungsstruktur, die Grundlage immer wieder entstehender Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung. Den Schaden haben die Betroffenen wie beispielsweise die unschuldigen Bewohner*innen der Unterkünfte in Neapel, die von ‚den Italienern‘ angegriffen und vertrieben wurden.
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Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.