Populismus

Zum Umgang mit einer Herausforderung für die Demokratie

Von: Dr. Florian Hartleb

Thema

Was spielt sich derzeit in unseren westlichen Demokratien ab? Geben Demagog*innen[1] den Takt vor und übernehmen sie die Deutungshoheit? Ist der US-Präsident Donald Trump ein Trendsetter oder Vorbote für Europa? Warum haben als Stand-up-Comedians getarnte Scharfmacher Konjunktur? Folgt ein apokalyptisches Szenario dem nächsten? Gerät der Ordnungsrahmen von Politik aus den Fugen? Viele Fragen stellen sich aufgrund der aktu­ellen politischen Entwicklungen in- und außerhalb Europas, denen in dieser Unterrichts­einheit nachgegangen wird. Sie zeigt auf, wie Populist*innen eine Politik der Affekte und Emotionen betreiben und populistische Tendenzen Vereinfa­chungen nutzen, um ihre Bot­schaften zu verbreiten und Verschwörungs­theorien zu streuen. Der Mechanismus populisti­scher Kommunikation wird in dieser Unterrichtseinheit anhand von Nach­richten, die als Fake News in sozialen Netzwerken kursieren, aufgezeigt.

Lehrplanbezug

Durchbruch und Scheitern des demokratischen Verfassungsstaats; Zerstörung der Demokra­tie; Bedrohung von Demokratie und Freiheit; Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Demokra­tie; Politische Parteien; Nationalismus; Europäische Union (EU); Identität, Vorausurteile und Vorurteile

Erwartete Kompetenzen

Orientierungskompetenz, Sachkompetenz; Demokratiefähigkeit; Urteils­bil­dungs­kompetenz, Problemlösungskompetenzen, Reflexionskompetenz, Medienkompetenz; Mehrperspektivität

Didaktische Perspektive

Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Parteiendemokratie, die lange als sehr stabil erach­tet wurde. Dies wurde vor allem damit erklärt, dass die sogenannten Volksparteien, die sich an der Spitze des politischen Systems etablierten, als Stimmen des Volkes verstanden wur­den. Anders als in den Nachbarländern gelang es etwa rechtspopulistischen Parteien gerade nicht, erfolgreich zu sein. Verschiedene Ursachen wurden hierfür diskutiert (etwa der „Schat­ten der Vergangenheit“ durch das Erbe des Nationalsozialismus, der Föderalismus als Prin­zip, das die eigenen Traditionen der Länder berücksichtigt, die Stärke der repräsen­tati­ven Demokratie mit wenig direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten, das Medien­system, etwa mit der Aufklärungsfunktion durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die im Grundge­setz verankerte Fünfprozenthürde und andere institutionellen Vorkehrungen). Dieses Bild hat sich nun drastisch geändert. Die Alternative für Deutschland (AfD) ist mittlerweile in den Bundestag und in alle Landtage eingezogen. Sie profitierte auch von der Flüchtlingsdebatte[2] im Herbst und Winter 2015 und ist in einigen ostdeutschen Bundes­ländern auf dem Weg, selbst eine „Volkspartei“ zu werden.

Die jüngsten politischen Entwicklungen machen demokratischen Multiplikatoren große Sor­gen. Zu gravierend haben sich gesellschaftliche Spaltungstendenzen in die politischen Sys­teme eingespeist. Das lässt sich etwa an der Verbreitung von Hasskommentaren ablesen, sodass viele Medien dazu gezwungen waren, Debatten zu aktuellen Themen, gerade im Zusammenhang mit den Herausforderungen durch die gesteigerte Migration in den Jahren 2015/16 oder dem Terrorismus, einzustellen. Die Empörung greift de facto über die sozialen Medien in Echtzeit um sich – Bilder und Symbole werden aus dem Zusammenhang gerissen und sorgen bei einem Massenpublikum für Emotionen, eine Art reflexhafter Empörungs­schübe. Für die politische Bildung bedeuten diese Entwick­lungen eine ungeahnte Herausfor­derung, aus mehreren Gründen:

  • Es ist noch ein relativ neues Phänomen.
  • Der internationale Blick ist unabdingbar, da wir von einem „populistischen Zeitgeist“ sprechen können. Es wäre daher verkürzt, sich hier allein auf Deutschland zu be­ziehen.
  • Es geht darum, nicht weiter Ängste zu schüren, sondern auch Gegenstrategien und Präventionsmöglichkeiten zu vermitteln.

Die Veränderungen der politischen Großwetterlage legen es nahe, dass Populismus ein Symptom für die Krise der westlichen Demokratien ist und nicht von heute auf morgen ver­schwinden wird.

In dieser Unterrichtseinheit werden besonders Problemlösungskompetenzen geschult. Popu­lis­mus ist weitaus vielschichtiger als medial vermittelt wird. Zunächst wird der Begriff Popu­lismus auf vier zentralen Ebenen, „Wir“, „Unsere Leute, das Volk“, „die-da-oben“ und „die-da-draußen“ bezogen (Material 2) und anschließend als ein Geschäftsmodell erklärt (Material 3). Dies Herangehensweise liefert den Schüler*innen (S*S) Strukturen für die Analyse eines Praxisbeispiels (Material 4). Im Umgang mit Populismus gilt es, Pauschalisie­rungen, Morali­sierungen und Dämoni­sierungen zu vermeiden. Populistische Argumente sollten gerade durch eine Überprüfung der vermeintlichen Fakten analysiert werden. Hier sollen auch Mani­pulierungstechniken und rhetorische „Tricks” genauer unter die Lupe genommen werden, wozu die S*S durch immer stärker in die Tiefe gehende Erklärungen angeregt werden (Material 7, 8 und 12). Die Herausforderung besteht darin, die S*S in diesen Prozess mit einzubinden. Das gilt auch oder sogar besonders für den Fall, wenn ein*e Schüler*in mit Popu­list*innen sympa­thi­siert oder ihre Argumente teilt.

Das Thema Populismus wird in dieser Unterrichtseinheit multiperspektivisch aufgegriffen und in einen internationalen Kontext dargestellt, denn in den USA oder in den meisten Ländern der Europäischen Union wird in ähnlicher Weise diskutiert. Hier stellt sich auch die Frage, ob die westliche Demokratie in einer Krise ist. Das Thema „Fake News“ etwa hat auch mit der politischen Kommunikation via Facebook, Twitter etc. zu tun – auch das ist ein Trend, der nicht mehr nur national gedacht werden kann.

Am Ende der Unterrichtseinheit werden verschiedene Strategien aufgezeigt, dem Populis­mus zu begegnen und die S*S reflektieren darüber, in welchen Bereichen sie selbst die Mög­lichkeit haben, diese Strategien zu unterstützen.


[1] Demagog*innen hetzen Menschen durch leidenschaftliche politische Reden auf.

[2] Um einen sensiblen Sprachgebrauch anzuregen, wird heute häufig die Bezeichnung „Geflüchtete“ anstelle von „Flüchtlinge“ bevorzugt. Die Bezeichnung „Flüchtling“ wird teilweise als diskriminierend angesehen. So weist die Gesellschaft für deutsche Sprache darauf hin, dass die Verwendung des Ableitungssuffixes –ling für eine Person steht, für die ein Merkmal charakteristisch ist. Viele Worte, die mit diesem Suffix gebildet werden, sind negativ konnotiert, wie beispielsweise Eindringling oder Emporkömmling. Im Rahmen gesetzlicher Regelung, internationaler Konventionen (z. B. Genfer Flüchtlingskonvention) und im allgemeinen Sprachgebrauch herrscht allerdings weiterhin der Begriff „Flüchtlinge“ vor.

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.