Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika (1904-1907/8)

Zum Umgang mit der kolonialen Vergangenheit

Von: Dr. Lars Müller

Ablaufplan

  1. Stunde 1: Kriegsdenkmäler und ihre Rezeption

    1. Lernziele

      • Die Schüler*innen (S*S) nähern sich dem Thema Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika an.
      • Sie erkennen die Problematik von Denkmälern und können einen Perspektivwechsel zwischen Siegern und Besiegten vollziehen.
      • Die S*S erarbeiten sich Hintergrundwissen für die spätere Einordnung des Krieges.
      • Sie setzen sich mit unterschiedlichen Perspektiven auf den Kriegsverlauf auseinander.
    2. Vorbereitung

      • Die Möglichkeit zum Projizieren eines Bildes (Material 1) und der Inschrift (Materi­al 2) ist sichergestellt.
      • Die Lehrkraft fertigt ausreichend Kopien von Material 3 und 8 (eine Kopie pro Schüler*in) sowie Material 4-7 (für die Gruppenarbeit) an.
      • Sie hält eine Kopie von Material 2 mit dem Text der Inschrift für sich bereit.
    3. 1 . Einstieg

      Dauer 15 min
      • Zum Einstieg in das Thema „Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika“ projiziert die Lehrkraft ein Bild des Reiterdenkmals und der Inschrift (Material 1) an das Whiteboard oder eine weiße Wand.
      • Sie bittet die S*S, das Denkmal zu beschreiben.
      • Sie fragt die S*S, warum das Denkmal aufgestellt wurde.
      • Nachdem die S*S ihre Überlegungen geäußert haben, liest die Lehrkraft die Inschrift vor (Material 2). Ggf. kann sie diese auch an das Whiteboard oder eine weiße Wand projizieren.
      • Sie gibt den S*S die Möglichkeit, den Grund erneut zu kommentieren.
      • Wenn die Diskussion auf verwendete Begrifflichkeiten kommt, dann erklärt sie diese mithilfe des Glossars (Material 3) und teilt dieses aus.
      • Im Anschluss gibt sie den S*S ein paar Hintergrundinformationen zu dem Denkmal:
        Das Reiterdenkmal wurde 1912 in Wind­hoek aufgestellt und erinnert an den Krieg der deutschen „Schutztruppen“ gegen die Herero und Nama in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Nach der Unabhängigkeit Namibias setzte eine Diskussion um die Zukunft des Denkmals ein. 2019 wurde es von einem zentralen Platz an einen weit weniger prominenten Ort - einem neu eröffneten Restaurant in Swakopmund - versetzt. Folgende Webseite gibt einen Überblick über die Geschichte und aktuellen Standpunkt des Denkmals. Diese Informationen können zusätzlich den LV unterstützen: https://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Zeller-Reiterdenkmal-1912.htm
      • Die S*S überlegen gemeinsam, warum das Denkmal versetzt wurde.
      • Erwartungshorizont:
        Die S*S kommen in der Diskussion um das Denkmal zu dem Schluss, dass der Krieg in Namibia eine deutlich höhrere Relevanz erfährt als in Deutschland. Zudem wird den S*S bewusst, dass der Umgang mit dem Denkmal noch heute kontrovers diskutiert wird.
      • Die Lehrkraft deutet an, dass sie nun einen Perspektivwechsel vornimmt und erklärt, dass Kriegsdenkmäler, die nicht nur an die Feldherren und Offiziere, sondern auch an einfache Soldaten erinnern, nach der Französischen Revolution einen großen Aufschwung erfuhren und auch in Deutschland an Bedeutung gewannen.
      • Die Lehrkraft erklärt, dass es um die Aufstellung von Kriegerdenkmalen häufig Konflikte gab und auch heute noch gibt, da verschiedene gesellschaftliche Gruppen ihr Verständnis vom Krieg und der Gesellschaft in den Vordergrund zu stellen versuchen.
      • Mit Blick auf das Denkmal selbst fährt sie fort: Der gewöhnliche Soldat würde nie als Reiter dargestellt werden, da dies den Heeresführern vorbehalten war. Daher wird der Stellenwert des einfachen Soldaten hier symbolisch erhöht.
      • Wenn im Laufe des Unterrichtsgesprächs keine Begrifflichkeiten diskutiert wurden, verteilt die Lehrkraft das Glossar (Material 3) und verweist auf die wichtigsten Aspekte.
    4. 2 . Arbeitsphase

      Dauer 15 min
      • Die Lehrkraft teilt die S*S in Gruppen ein.
      • Die Lehrkraft verteilt die Quellen (Material 4-7) per Zufallsprinzip und das Arbeitsblatt (Material 8), sodass jede*r Schüler*in eine Quelle und eine Ausgabe des Arbeitsblattes hat. Die Quelle in Material 7 ist auf Englisch, die anderen auf Deutsch.
      • Die S*S lesen die jeweilige Quelle, verlassen ihre Gruppe, um die Quellen in Exptert*innen-Gruppen zu besprechen und kehren im Anschluss zu ihrer ursprünglichen Gruppe zurück, in der sie die Ergebnisse besprechen.
    5. 3 . Diskussion

      Dauer 15 min
      • Jeweils ein*e Schüler*in aus jeder Expter*innengruppe präsentiert die zentralen Aussagen ihrer Quelle, die anderen ergänzen.
      • Die S*S diskutieren die unterschiedlichen Perspektiven und arbeiten heraus, wie unterschiedlich der Krieg bewertet wurde.
  2. Stunde 2: Der Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika

    1. Lernziele

      • Die S*S erarbeiten sich die Relevanz des Kolonialkrieges in Deutsch-Südwestafrika für die Gegenwart; insbesondere in der bundesdeutschen Debatte.
      • Sie setzen sich mit dem Begriff Völkermord/Genozid auseinander und erarbeiten, was die Verwendung auf welcher Ebene impliziert.
    2. Vorbereitung

      • Die Lehrkraft fertigt ausreichend Kopien von Material 10-13 (für die Gruppenarbeit) und Material 14 (eine Kopie pro Schüler*in) an.
      • Die Gruppe, die Material 13 und ggf. auch Material 12 bearbeitet, hat die Möglichkeit, gemeinsam ein Video zu schauen ohne die anderen bei der Arbeit zu stören.
      • Die Möglichkeit zur Projektion von Material 9 ist sichergestellt.
    3. 4 . Einstieg

      Dauer 5 min
      • Die Lehrkraft rekapituliert die Ergebnisse der letztenStunde; ggf. zeigt sie erneut das Foto des Reiterdenkmals und/oder das Titelbild des Denkmals in Bremen.
      • Die Lehrkraft skizziert das Thema der heu­tigen Stunde: Der aktuelle Umgang mit dem Krieg in der Bundesrepublik und klärt mit Hilfe von Material 9, das sie an eine weiße Wand oder das Whiteboard projiziert, den Begriff „Völkermord“.
    4. 5 . Erarbeitung

      Dauer 20 min
      • Die Lehrkraft teilt die Klasse in vier Gruppen ein; jede Gruppe bearbeitet eine Quelle (Material 10-13). Darüber hinaus verteilt die Lehrkraft an jede*n Schüler*in das Arbeitsblatt (Material 14).
      • Hinweis:
        Die Lehrkraft könnte die Gruppen ggf. nach Leistungsniveau einteilen und die Materi­alien dann entsprechend zuteilen.
        Wenn viel Zeit zur Verfügung steht, dann kann Material 12 ggf. auch mit der gesam­ten Klassen als Video angesehen und diskutiert werden. Das Video befindet sich auf der Website, von der der Text (wobei es sich um ein Transkript des Videos han­delt) stammt. Der Teil zu dem Völkermord an den Herero beginnt in Minute 53:10 und endet bei 1:04:40.
        Da es sich bei Material 13 ebenfalls um ein Video handelt, könnten auch beide Materialien (12 und 13) als Videos bearbeitet werden.
        Material 13 ist auf Englisch, eignet sich daher ideal für Schüler*innen mit ausgeprägteren Englischkenntnissen.

        Die Texte sind unterschiedlich lang und haben sprachlich einen verschiedene Komplexitätsgrade. Es empfiehlt sich bei­spiels­weise, Material 12 von Schüler*innen bearbeiten zu lassen, die eher auf sprachliche Details achten können.
    5. 6 . Diskussion

      Dauer 20 min
      • Die Gruppen präsentieren die zentralen Aussagen ihrer Texte oder Videos in chronologischer Reihenfolge.
      • Die Lehrkraft achtet darauf, dass die einzelnen Gruppen jeweils auf die Leitfragen aus dem Arbeitsauftrag (Material 14) eingehen:
        • Welche Perspektive wird von den Autor*nnen eingenommen?
        • An wen richtet sich die Quelle?
        • Wird der Krieg als Völkermord bewertet? Wenn ja, mit welcher Begründung?
        • Werden daraus Forderungen abgeleitet?
      • Im Anschluss vergleichen die S*S die verschiedenen Positionen und diskutieren.
      • Impulse:
        • Gibt es eine moralische/historische Schuld bzw. Pflicht?
        • Teilweise ist von Versöhnung die Rede; die Begriffe Wiedergutmachung und Reparationszahlungen werden vermieden. Warum?
        • Werden in den Quellen Vergleiche zu anderen Genoziden in der Geschichte gezogen? Welche? Wo liegen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
      • Kennt ihr andere Genozide in der Geschichte? (z.B. Ruanda, Sinti und Roma)
  3. Stunde 3: Darstellungen des Krieges

    1. Lernziele

      • Die S*S setzen sich mit unterschiedlichen Darstellungen des Krieges auseinander.
      • Sie erarbeiten, dass mit der Auswahl von Abbildungen auch immer eine bestimmte Perspektive auf die Ereignisse verbunden ist.
    2. Vorbereitung

      • Die Lehrkraft fertigt ausreichend Kopien von Material 15 und 16 an.
      • Wenn gewünscht, druckt die sie Abbildungen in Material 15 zusätzlich großformatig aus, um diese zunächst gemeinsam mit der gesamten Klasse zu betrachten, bevor die S*S jeweils einen Ausdruck des Materials bekommen.
      • Eine Internetrecherche wird ermöglicht.
    3. 7 . Einstieg

      Dauer 10 min
      • Zunächst werden die Ergebnisse der letzten Unterrichtsstunde rekapituliert. Ziel ist es, dass die S*S sich der Ereignisse 1904-1907/8 sowie der aktuellen Diskussion bewusst sind.
    4. 8 . Erarbeitung

      Dauer 15 min
      • Die S*S erhalten eine Auswahl von Abbildungen aus dem Kontext des Kolonialkrieges (Material 15). Die Lehrkraft fordert Freiwillige dazu auf, eines der Bilder kurz zu beschreiben. Die restliche Klasse ergänzt. Auf diese Weise gehen sie auf jedes Bild ein. Es können weitere Abbildungen von den S*S recherchiert oder aber vorab von der Lehrkraft ergänzt bzw. bestehende Bidler ausgetauscht werden.
      • Im Anschluss bekommen die S*S die Aufgabe, sich jeweils die Abbildung auszuwählen, die einen aktuellen Zeitungsartikel zum Deutsch-Herero-Krieg und Forderungen nach Reparationen illustrieren könnte.
    5. 9 . Besprechung und Sicherung

      Dauer 20 min
      • Die S*S finden sich in Gruppen zusammen, die sich nach der Bildauswahl ergeben und erhalten das Arbeitsblatt (Material 16).
      • Nach einer kurzen Absprache stellen die Gruppen dem Plenum vor, warum sie welches Bild ausgewählt haben.
      • Zu den Auswahlkriterien können folgende zählen:
        • Fokus auf die Opferrolle
        • Darstellung der Herero als aktive Kämpfer
        • Fokus auf das Kollektiv oder auf die jeweiligen Anführer
        • Illustration der Kriegsfolgen, etc.
      • Die Lehrkraft verdeutlicht, dass es keine richtige oder falsche Lösung gibt, sondern dass es sich jeweils um eine Auswahl handelt, die die Schülerin oder der Schüler begründen muss.
  4. Stunde 4: Wahrnehmungen der Verhandlungen

    1. Lernziele

      • Die S*S setzen sich mit unterschiedlichen Perspektiven um die Verhandlung der Entschädigungszahlungen und den Umgang mit der Vergangenheit auseinander.
      • Hierzu führen Sie eigene Recherchen durch.
    2. Vorbereitung

      • Die Lehrkraft ermöglicht freie Recherchen im Internet.
    3. 10 . Einstieg

      Dauer 5 min
      • Die Lehrkraft erklärt, dass Namibia als Nachfolgerstaat und Deutschland seit geraumer Zeit im Austausch bzgl. der Anerkennung des Völkermordes und der Entschädigungszahlungen sind.
      • Sie verdeutlich dabei das Mittel der Entschädigungszahlungen als anerkanntes politisches Vorgehen – ggf. anhand von Beispielen (bspw. der Vereinigten Staaten von Amerika an ihre eigene japanische Bevölkerung aufhrund deren Internierung während des Zweiten Weltkrieges oder aber die an Deutschland gerichteten Forderungen Griechenlands wegen der Schäden, die durch den Zweiten Weltkrieg verursacht wurden).
    4. 11 . Recherche

      Dauer 30 min
      • Die S*S recherchieren in Einzel- oder Partnerarbeit im Internet den Stand der Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland.
    5. 12 . Abschluss

      Dauer 10 min
      • Die S*S berichten von ihren Rechercheergebnissen.
      • Die Lehrkräft ergänzt bei Bedarf den Stand der Verhandlungen und hält ihn fest.
      • Sie betont, dass hier unterschiedliche Perspektiven aufeinandertreffen und es bei dieser Art Verhandlungen schwierig ist festzulegen, was ein „angemessener“ Wert ist.

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.