Grüße aus der Neuen Welt

Auswanderung im 19. Jahrhundert – Einwanderung in der Gegenwart

Von: Dr. Nikolaus Barbian

Sachinformation

Worum geht es?

Migration ist eine der bedeutendsten gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Sie setzt gesellschaftliche Veränderungen in Gang, die alle Lebensbereiche und damit auch die Schule durchdringen. Die historische Auseinandersetzung mit Migration soll verdeutlichen, dass Menschen in der Geschichte immer gewandert sind, dass es sich also um ein geschichtliches Grundphänomen und nicht um eine Besonderheit der Gegenwart handelt. So kann durch die historische Betrachtung ein grundlegendes Verständnis dafür entwickelt werden, dass Menschen ihr Zuhause gezwungenermaßen oder freiwillig verlassen, um sich andernorts niederzulassen. Erfahrungen aus der Vergangenheit können in diesem Zusammenhang aufgegriffen werden, um sie mit gegenwärtigen Problemstellungen zu vergleichen. 

Die massenhafte Mobilität von Menschen war eines der zentralen Charakteristika der Globalisierung im 19. Jahrhundert. In diesem Zusammenhang war die deutsche überseeische Massenauswanderung das Ergebnis eines enormen Bevölkerungswachstums vor dem Hintergrund des Wandels vom Agrar- zum Industriestaat. Dessen innere Krisenlagen – man denke etwa an die „soziale Frage“ – sorgten dafür, dass die Anziehungskraft des Hauptauswanderungslandes USA zunahm. Die dortige industrielle Produktion und die expandierende Plantagenwirtschaft befeuerten die Nachfrage nach Arbeitskräften, die bald nicht mehr nur innerhalb der nationalen Grenzen gestillt wurde. Es entstand eine Art globaler Arbeitsmarkt, der ohne die neuen Transportmöglichkeiten und Informationstechnologien nicht denkbar gewesen wäre. Allein aus Europa wanderten im 19. Jahrhundert rund 60 Millionen Menschen aus. Deutschland war eines der Zentren dieses Massenexodus.

Die Auseinandersetzung mit dieser massenhaften Auswanderung im 19. Jahrhundert spielt im kollektiven Gedächtnis der Deutschen heute keine bedeutende Rolle. Wäre dies anders, wäre der Blick auf Migration in Deutschland heute vielleicht ein anderer. Denn die Deutschen haben eine eigene Migrationsgeschichte, Deutschland hat eine lange Tradition des Exports von Menschen in die Welt. Man könnte also durchaus etwas gelassener sein. Vor allem wenn man sich damit beschäftigt, wie sich die deutschen AuswanderInnen in ihrer neuen Heimat verhielten: Interessanterweise schotteten sie sich an vielen Orten lange Zeit regelrecht von ihrer Umwelt ab und hegten eifrig ihre mitgebrachte Kultur. Dies könnte zum Beispiel zu der Einsicht führen, dass durch Migration Angehörige der eigenen Mehrheitsbevölkerung andernorts sehr schnell zu Minderheiten werden können und so Sensibilität für die Komplexität von Anpassungsprozessen bis in die Gegenwart hinein wecken.

Welche Materialien werden verwendet?

Die fiktive Problemsituation bildet eine Projektarbeit zum Thema „Flucht heute“ in der Schule. In einem Video (Material 1) ist das Folgende zu sehen: Der Autor des Moduls ist gerade dabei, jene Projektarbeit vorzubereiten. Bei der Recherche stößt er auf das Magazin „Fluter“ der Bundeszentrale für politische Bildung und dessen Ausgabe zum Thema „Flucht“ (Nr. 55, Sommer 2015). Auf der ersten Seite findet sich dort eine Grafik, die ihn stutzig werden lässt, weil sie so gar nicht zum Rest des Heftes zu passen scheint. Das Video soll auch bereits den Konstruktcharakter von Geschichte deutlich machen.

In der ersten Stammgruppenphase des Gruppenpuzzles beschäftigen sich die SuS mit einem Podcast (Material 2), der wiederum im Zuge jener Recherchearbeit des Autors des Moduls entstanden ist. In dem Audiobeitrag geht es um Zahlen, Daten und Fakten zum Thema „Auswanderung im 19. Jahrhundert“: Auswanderungszahlen, Ausgangsregionen, Niederlassungsregionen usw. Ihre Ergebnisse halten sie in Form eines Gruppen-Etherpads (ZUMpad) fest, sodass ggf. auch als Hausaufgabe gemeinsam weitergearbeitet werden kann.[1]

Es folgt die ExpertInnengruppenphase (Materialien 3-9). Die zu behandelnden AuswanderInnen bzw. ihre Geschichten sind dem Buch „Wolfgang Helbich, Walter D. Kamphoefner, Ulrike Sommer (Hrsg.), Briefe aus Amerika. Deutsche Auswanderer schreiben aus der Neuen Welt 1830-1930, München 1988“ entnommen. Konkret handelt es sich um zwei Farmer, zwei Arbeiter und eine Dienstbotin. Die schriftliche Materialgrundlage sind also im genannten Buch gegebene biographische Hintergründe und Auswandererbriefe. Im Zentrum der Arbeitsaufträge steht die Untersuchung der AuswandererInnenschicksale. Dabei geht es um die quellenkritische Analyse in Form von „Quellensteckbriefen“ und das inhaltliche Herausarbeiten von Ursachen, Motiven, Auslösern, Mitteln, Wegen, Bedingungen, Ankunft und Integration. Die Ergebnisse werden zum Einen im Stammgruppen-Etherpad festgehalten, das auf diese Weise gespeist durch die Gruppenmitglieder in verschiedenen ExpertInnengruppen beständig wächst. Zum Anderen sollen ein digitaler Zeitstrahl mit allen Zahlen, Daten und Fakten des Auswandererschicksals sowie eine digitale Karte, die Auswanderungsregion, Auswanderungsweg und Niederlassungsregion zeigt, gestaltet werden. Dafür wird für den Zeitstrahl ein kostenloses Timeline- sowie (ggf.)  für die Erstellung der Landkarte das StepMap-Tool genutzt. Als Hausaufgabe steht dann ein Podcast (Material 10) zur Verfügung, in dem es um Zahlen, Daten und Fakten zum Thema „Flucht heute“ geht.

In der zweiten Stammgruppenphase des Gruppenpuzzles werden die Ergebnisse der ExpertInnengruppen jeweils mithilfe des Etherpads, des Zeitstrahls und der Karte vorgestellt, diskutiert und ggf. überarbeitet. Insgesamt sind abhängig von der Lerngruppe für das Modul vier bis sechs Unterrichtsstunden zu veranschlagen.


[1]Ein Etherpad ist ein webbasierter Editor zur kollaborativen Bearbeitung von Texten, in dem mehrere Gruppenmitglieder gleichzeitig ein Dokument bearbeiten und zugleich chatten können (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Etherpad).

 

Materialübersicht:

Material 1:       Video „Auswanderung und Flucht“

Material 2:       Podcast „Zahlen, Daten und Fakten zur Auswanderung im 19. Jahrhundert“

Material 3:       Arbeitsblatt „Quellensteckbriefe AuswanderInnen“

Material 4:       Darstellung und Quellen „Johann Bauer – John Bauer“

Material 5:       Darstellung und Quellen „Franz Joseph Löwen – Franz Joseph Loewen“

Material 6:       Darstellung und Quellen „Johann Carl Wilhelm Pritzlaff – John Pritzlaff“

Material 7:       Darstellung und Quellen „Peter Klein“

Material 8:       Darstellung und Quellen „Wilhelmine Wiebusch“

Material 9:       Ergänzungsaufgabe „Externe Perspektiven“

Material 10:     Podcast „Zahlen, Daten und Fakten zur Einwanderung von Geflüchteten in der Gegenwart“

Material 11:     Hausaufgabe „Ein Auswandererbrief von heute“

Weiterführende Literatur und Links

Auswanderung aus den Regionen des heutigen Rheinland-Pfalz.
http://www.auswanderung-rlp.de/

Bade, K.-J. (Hrsg.): Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart. München 1992.

Bade, K.-J./Emmer, P.C./Lucassen, L./Oltmer, J. (Hrsg.): Enzyklopädie Migration in Europa vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Paderborn 2010.

Ballin Stadt Hamburg. http://www.ballinstadt.de/

Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven. http://dah-bremerhaven.de/

Fluter – Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, Themenheft „Flucht“, Nr. 55/ 2015, http://www.fluter.de/flucht  (http://www.fluter.de/de/147/heft/13602/)

Helbich, W./Kamphoefner, W.D./Sommer, U. (Hrsg.): Briefe aus Amerika. Deutsche Aus­wanderer schreiben aus der Neuen Welt 1830-1930. München 1988

Oltmer, J.: Globale Migration. Geschichte und Gegenwart. München 2012.

Virtuelles Museum Online (der deutsch-dänischen Grenzregion): Übersee-Auswanderung. http://www.vimu.info/general_04.jsp?id=mod_14_5&lang=de&u=general&flash=true

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.