Was wir wollen!

Jugendkulturen und junge MuslimInnen

Von: Kerstin Rümmler, Christian Czyborra

Sachinformation

Worum geht es?

Der Begriff Jugendkultur bezeichnet die Stile, Orientierungen und Aktivitäten, die von einer größeren Anzahl von Jugendlichen geteilt und als charakteristisch für diese Szene wahrgenommen werden. Als Ausdruck eines Lebensgefühls spiegeln sich in einer Jugendkultur die Haltungen dieser Jugendlichen gegenüber der Gesellschaft im Allgemeinen, aber vor allem auch gegenüber der Generation der Eltern. Jugendkulturen formulieren oft auch – implizit oder explizit – politische Botschaften. Zugleich handelt es sich bei Jugendkulturen nicht selten um eine Mode, die mit kommerziellen Interessen verbunden ist.

In der Auseinandersetzung mit Jugendkulturen lassen sich daher allgemeine Fragen bezüglich von Identitätsbildungsprozessen, Wertorientierungen und gesellschaftlichen Konflikten im Kontext von Jugendbiographien thematisieren und mit direktem Bezug zur Lebenswelt von Jugendlichen veranschaulichen und diskutieren.


Was ist "Pop-Islam“?

Mit dem Begriff des "Pop-Islam" wird eine jugendkulturelle Strömung beschrieben, die seit 2001 in Deutschland entstanden ist. Charakteristisch für diese Strömung ist das Selbstverständnis als "deutsche MuslimInnen", die ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft mit einer selbstbewussten Religiosität verbinden. Die Botschaft, die von diesen Jugendlichen nach außen getragen wird, lautet "Wir sind ein Teil Deutschlands!".

Zugleich sehen viele junge MuslimInnen ihr betont modernes Auftreten und ihre selbstbewusste Auseinandersetzung mit dem Islam auch als Botschaft an die Elterngeneration. Für Melih Kesmen, den Gründer des Modelabels "Style-Islam", geht es darum, den Islam hier und in der Gegenwart zu leben und mit den Lebenswelten von Jugendlichen zu vereinen. Der Islam ist für ihn keine religiöse Tradition, die an die Herkunftsländer der Eltern gebunden ist, sondern lässt sich mit dem Alltag von jungen und karrierebewussten Menschen in Deutschland und Europa verbinden. In einem Interview hat er dieses Selbstverständnis auf den Punkt gebracht: Die MuslimInnen, für die "Style-Islam" steht, seien die "Punks" unter den MuslimInnen.

Die Auseinandersetzung mit dieser Strömung bietet daher auch die Gelegenheit, unter MuslimInnen wie unter NichtmuslimInnen ein Bewusstsein für die Vielfältigkeit muslimischer Lebensweisen und Orientierungen zu befördern. Denn "den" Islam gibt es nicht.

Am Beispiel des "Pop-Islam" lassen sich allgemeine Fragen nach Werten, Interessen und Lebenszielen entwickeln und diskutieren. Zugleich lernen nichtmuslimische Schülerinnen und Schüler die besonderen Herausforderungen kennen, denen sich (junge) MuslimInnen in Deutschland gegenüber sehen. Damit werden junge MuslimInnen als Teil der deutschen Gesellschaft sichtbar, die diverse Erfahrungen und Interessen mit gleichaltrigen Jugendlichen unabhängig von Herkunft und Religionszugehörigkeit teilen. 

Wichtig ist allerdings, dass der Begriff "Pop-Islam" keine Eigenbezeichnung ist. Junge MuslimInnen wie Melih Kesmen sehen sich schlicht als solche, nicht als "MuslimInnen light". Gleichwohl eignet sich der Begriff, um die besonderen Interessen und Vorstellungen dieser Strömung zu beschreiben.


Welche Materialien werden verwendet?

Als Einstieg in das Thema wird hier ein Lied der deutschen Rockband Die Ärzte gewählt, die einigen der Schülerinnen und Schüler bekannt ist (Material 1). Anschließend stehen Fotos im Mittelpunkt, die unterschiedliche Jugendkulturen in Deutschland zeigen (Material 2). Dabei werden unterschiedliche Symbole und Stile, aber auch Botschaften und Forderungen der einzelnen Jugendkulturen sichtbar und diskutierbar. Ergänzend dazu liefert ein kurzer Hintergrundtext Informationen über den Begriff der Jugendkulturen und die Bedeutung von Jugendkulturen in der Gesellschaft (Material 3).

Am Bespiel eines islamischen Modelabels werden in einem nächsten Schritt dann konkrete Hintergründe und Ziele einer jugendkulturellen Strömung erarbeitet, die abschließend mit eigenen Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler verglichen werden (Material 4 und 5). Die Materialien greifen damit eigene Erfahrungen auf und setzen sie in Bezug zum wissenschaftlichen Konzept der Jugendkulturen als spezifischer Lebensphase. 
 

Weiterführende Literatur

  • Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (2010): Jugendkulturen, Aus Politik und Zeitgeschichte, 27/2010 http://www.bpb.de/apuz/32640/jugendkulturen
  • Klaus Farin (2011): Jugendkulturen in Deutschland, Bonn.
  • Julia Gerlach (2006): Zwischen Pop und Dschihad. Muslimische Jugendliche in Deutschland, Bonn.
  • Politik und Unterricht (Hrsg.) (2012): Themenheft "Muslime in Deutschland. Lebenswelten und Jugendkulturen" – Unterrichtsvorschläge, Texte und Materialien, Politik und Unterricht, 3/4-2012 http://www.politikundunterricht.de/3_4_12/muslime_nachdruck.pdf
  •  

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.