Extremismus

Gefahr für den demokratischen Staat

Von: Dr. Florian Hartleb

Thema

Extremistische Bewegungen haben Zulauf. Das Bundeskriminalamt (BKA) und das Bundes­amt für Verfassungsschutz (BfV) stel­len eine neue Bedrohungslage für den demokratischen Verfassungsstaat fest. Das liegt an einer zunehmenden Internationalisierung sowie an virtuellen Räumen, in denen eine stärkere Vernetzung stattfindet. Das zeigte sich beispiels­weise 2019 in Halle, als ein Täter aus antisemitischen Motiven in eine jüdische Synagoge eindringen wollte und seinen Anschlag live im Internet streamte. Das Video wurde vielfach über soziale Medien verbreitet.

Neue Bewegungen bilden sich. So sprechen „die Identitären“ in erster Linie junge Erwachsene an. Sie geben sich „hip“, haben aber eine extremistische Ideologie und warnen etwa vor der Zerstörung der europä­ischen Kultur durch „Islamisie­rung“. Skurril muten die Reichs­bürger*innen an, die den Staat ablehnen und an den Fortbestand des Deutschen Reichs glauben. Einige von ihnen hegen extremisti­sches Gedankengut, hängen etwa Verschwörungs­theorien nach und sind gewaltbereit, wenn es um die Nichtakzeptanz von Recht und Ordnung und konkret um Angriffe von Polizeibeamt*innen geht. Eskalationsmomente von linksextre­mer Gewalt waren wiederum beim G-20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 zu beobach­ten. In Städten wie Berlin und Leipzig häufen sich Konfrontationen mit der Polizei. In der Diskussion um den islamistischen Extremismus fallen immer wieder die Worte „Schläfer“ und „Gefährder“ – letztere gelten als potentielle Terrorist*innen. In den letzten Jahren wurde auch konstatiert, dass die salafistische Szene in Deutschland aktiver wird. Aufgrund des Kampfes gegen den selbst ernannten „Islamischen Staat“ im Nahen Osten drohen Vergeltungsschläge. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit Rückkehr*innen oder Menschen, die sich angeblich oder tatsäch­lich als Flüchtlinge[1] tarnen, den demokratischen Verfassungsstaat bedrohen. Die Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas „Extremismus“ legen eine Vertiefung im Schulunterricht nahe. Diese Unterrichtseinheit legt es darauf an, extremistisches Denken zu rekonstruieren, neue Dynamiken zu analysieren und Schüler*innen dazu anzuregen, Gegen­strategien zu entwickeln.


[1] Die Gesellschaft für deutsche Sprache weist darauf hin, dass die Verwendung des Ableitungssuffixes -ling für eine Person steht, für die ein Merkmal charakteristisch ist. Viele Worte, die mit diesem Suffix gebildet werden, sind negativ konnotiert, wie beispielsweise Eindringling oder Emporkömmling. Die Bezeichnung „Flüchtling“ wird daher als abwertend kritisiert. Um einen sensiblen Sprachgebrauch anzuregen, wird heute häufig die Bezeichnung „Geflüchtete“ anstelle von „Flüchtlinge“ bevorzugt. Im Rahmen gesetzlicher Regelung, internationaler Konventionen (z. B. Genfer Flüchtlingskonvention) ist allerdings weiterhin der Begriff „Flüchtlinge“ dominant.

Lehrplanbezug

Durchbruch und Scheitern des demokratischen Verfassungsstaats; Zerstörung der Demo­kratie; Extremismus; Bedrohung von Demokratie und Freiheit; Sicherung der Zukunfts­fähigkeit der Demokratie; Politische Parteien; Nationalismus; Europäische Union (EU); Identität, Vorausurteile und Vorurteile.

Erwartete Kompetenzen

Orientierungskompetenz, Sachkompetenz; Demokratiefähigkeit; Urteils­bil­dungs­kompetenz, Problemlösungskompetenzen, Reflexionskompetenz, Medienkompetenz; Mehrperspektivität.

Didaktische Perspektive

Extremismus und Terrorismus sind alte und neue Phänomene zugleich. Deutschland ist durch besondere Diktaturerfahrungen geprägt, den totalitäten Nationalsozialismus (NS) sowie die autoritäre Deutsche Demokratische Republik (DDR). Die nationalsozialistische Erfahrung wie auch die fehlende Abwehr­bereit­schaft der Weimarer Republik prägten das Grundgesetz. Vorkehrungen der streitbaren Demokratie wie die Möglichkeit eines Parteienverbots sind nur dadurch zu verstehen und zu vermitteln. Immer wieder müssen und sollten die Prägungen dieser Zeit berücksichtigt wer­den, wenn es etwa um einen revitalisierten Antisemitismus geht. Auch die Verfolgung von Homosexuellen sowie Sinti*zze und Rom*nja im National­sozia­lismus sollten im Unterricht behandelt werden.

Die Bundesrepublik Deutschland ist immer wieder von extremistischen und terroristischen Herausforderungen bedroht worden. So versuchte beispielsweise die DDR mit Hilfe derar­tiger Kräfte zuweilen die BRD zu destabilisieren. Eine besondere Herausforderung stellte aber auch der Linksterrorismus der Roten Armee Fraktion (RAF) dar. Nach der deutschen Wiederverei­nigung sorgten tätlilche Angriffe auf Asylbewerberheime für Empörung.

Zu den neueren Entwicklungen gehört etwa die Ausbreitung des islamistischen Extremismus. Der Rechts- und Linksextremismus richten sich häufig gegen Auswirkungen der Globalisierung und Internationalisierung. Die zunehmende Virtualisie­rung hat dazu geführt, dass die Bewe­gungen internationaler geworden sind und sich vielfältig vernetzen. Daher ist ein Blick über den Teller­rand empfehlenswert.

Lange wurde dem Rechtsterrorismus kaum öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt, was sich nach Bekanntwerden der Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds und schließlich durch die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke änderte. Linksextremis­tische Gewaltexzesse wurden etwa durch den G-20-Gipfel in Hamburg sichtbar. Im Bereich des islamistischen Extremismus stellen besonders die zahlreichen islamistischen Terror­anschläge und eine auflebende Salafist*innenszene eine neue Bedrohung dar – verstärkt durch die Situation im Nahen Osten, durch die Vergeltungsschläge als immer wahrscheinlicher angesehen werden.

In dieser Unterrichtseinheit werden besonders Problemlösungskompetenzen fokussiert. In der medialen Darstellung wird die Vielschichtigkeit von Extremismus zumeist nicht vermittelt. Der Themenkomplex in drei Hauptströmungen strukturiert: Rechtsextremis­mus, Linksextremismus und islamistischer Extremismus. Diese Herangehensweise liefert den Schüler*innen (S*S) Strukturen für die Analyse eines Praxisbeispiels. Die Heraus­forderung besteht darin, die S*S in diesen Analyse- und Interpretationsprozess mit einzubinden. Das gilt auch oder sogar besonders für den Fall, wenn ein*e Schüler*in mit Extremist*innen sympa­thi­siert oder ihre Argumente teilt.

Die Unterrichtseinheit nähert sich dem Thema Extremismus multiperspektivisch, mit dem Blick auf den internationalen Kontext, gerichtet. Sie geht unter anderem der Frage nach, ob die westliche Demokratie in einer Krise ist. Die politische Kommunikation über soziale Medien, besonders im Hinblick auf die Verbreitung von „Fake News“, kann nicht mehr nur national gedacht werden. In diesem Zusammenhang spielt Populismus eine große Rolle. Daher werden am Ende dieser Unterrichtseinheit verschiedene Strategien aufgezeigt, wie dem Populismus begegnet werden kann und die S*S reflektieren darüber, in welchen Bereichen sie selbst die Möglichkeit haben, diese Strategien zu unterstützen.

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.