Was steckt hinter Muslimfeindlichkeit?

Mit Zivilcourage gegen muslimfeindliche Vorurteile und Ausgrenzung

Von: Gönül Kaya

Sachinformation

Worum geht es?
In Dresden demonstrierten im Dezember 2014 geschätzte 17.500 Menschen gegen die Islamisierung des Abendlandes. Spätestens da wurde deutlich, dass ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Gesellschaft ablehnend gegenüber dem Islam eingestellt ist. Dabei ist Gegenstand von Kontroversen, ob es sich bei den öffentlich vertretenen Meinungen in Politik und Medien um muslimfeindliche, also gegen eine (vermeintlich homogene) bestimmte Gruppe gerichtete, Einstellungen oder um Kritik am Islam und seinen Einfluss auf die Gesellschaft handelt.
Mehrere Studien belegen eine zunehmend ablehnende Haltung gegenüber dem Islam und Muslim*innen in der deutschen Bevölkerung (DIK 2012; SVDS 2016). Dabei werden Muslim*innen zumeist als Fremde wahrgenommen, die nicht zu Deutschland gehören. Muslime und Musliminnen werden im Zuge einer kontroversen Debatte zwar mittlerweile eine Zugehörigkeit zu Deutschland zugestanden, ihr Glauben aber “lediglich ertragen, erduldet und ausgehalten” (Cakir 2014, S. 206). Gerade vor diesem Hintergrund zunehmender Ablehnung von Muslim*innen und des Islam in Deutschland sollte eine differenzierte Darstellung historischer und politischer Ereignisse sowie sozialer und ökonomischer Zusammenhänge im Unterricht zutage treten. Die Zunahme von muslim- und islamfeindlichen Einstellungen werden vor allem für die Zeit nach dem 11. September 2001 und mit der Zunahme terroristischer Angriffe in Europa belegt, die von Terrororganisationen oder einzelnen kriminellen Radikalen ausgingen, die sich auf den Islam berufen. Mit der Ankunft einer großen Zahl von Geflüchteten aufgrund von Krieg, Verfolgung und Armut in Europa und vor allem Deutschland, die sich oftmals dem Islam zugehörig fühlen – auch wenn sie ihre Religiosität ganz unterschiedlich ausleben, steigt die Ablehnung der „Fremden“ und von Muslim*innen vor allem auch in den Regionen, in denen kaum Kontakt zu Muslim*innen besteht.
Moderne Nationalstaaten sind vor diesem Hintergrund herausgefordert, gleichzeitig zu exkludieren, indem sie die Zugehörigkeit, z.B. durch Staatsbürgerschaft, definieren und Identität, z.B. durch Debatten und Narrative der nationalen Einheit, schaffen, und nicht im Widerspruch zu demokratischen und global eingeforderten humanitären Menschenrechtsansprüchen von Individuen oder Gemeinschaften zu stehen zu denen auch die Religionsfreiheit gehört. Gerade das Bedürfnis nach Eindeutigkeit und Zuordenbarkeit – das sich beispielsweise in Begrifflichkeiten wie dem Migrationshintergrund widerspiegelt – wird zum Kernproblem.
Der oder die muslimische Deutsche scheint bis heute eine Unmöglichkeit. Die aus dem Hinterhof ins Stadtbild rückende provisorische Moschee der ehemaligen “Gastarbeiter” wird von einer nicht zu übersehenden und überhörenden Minderheit nicht als Zeichen der Normalisierung im Rahmen einer durch religiöse Vielfalt geprägten und in ihrer Verfassung als religionsfrei charakterisierten Gesellschaft verstanden, sondern als Dominanzanspruch einer gefährlichen Minderheit. Problematisch ist hierbei, dass die (angenommene) Religionszugehörigkeit von Kindern und Enkeln ehemals Eingewanderter mit zunehmend deutscher Staatsangehörigkeit die Markierung als nicht zugehörig, als „Fremde“, ersetzt. Damit verschiebt sich die Etikettierung des Fremden aufgrund der Nationalität hin zu einer aufgrund der Religionszugehörigkeit.
Die muslimische Bevölkerung Deutschlands setzt sich aber bei weitem nicht nur aus Gastarbeiter*innen und deren Nachkommen zusammen. Neben Eingewanderten, die aus anderen Gründen als Arbeit zu finden nach Deutschland kamen, z.B. um zu studieren, zu heiraten oder auf der Flucht vor politischen oder religiösen Konflikten, gehören auch Konvertit*innen und deren Nachkommen zur Vielfalt der deutschen Muslime. Die öffentliche Debatte nimmt diese Vielfalt nur selten zur Kenntnis. Es lässt sich vermutlich bei Zugewanderten muslimischen Glaubens sehr viel leichter von “Fremden” sprechen, als bei Menschen muslimischen Glaubens deutscher Herkunft, bei Konvertit*innen.
Religion wird zum unveränderlichen Wesensmerkmal gemacht, anhand dessen eine vermeintlich klare Trennlinie zwischen Einheimischen und Zugewanderten entlang ihrer Kultur- bzw. Religionszugehörigkeit” gezogen wird. Auch ohne Verwendung des mittlerweile nach allgemeinem Konsens verpönten biologistischen Rassebegriffs legt diese Form des (antimuslimischen) Rassismus die Betonung auf die Differenz zwischen Personen und Personengruppen. Mischformen, wie Nachkommen gemischter Partnerschaften, oder Kultur- beziehungsweise Religionswechsel sind nach einer solchen Vorstellung kaum möglich und die Anerkennung erkennbar Eingewanderter als Deutsche eine offenkundige Herausforderung für den Wunsch nach Eindeutigkeit.
In Abgrenzung zu den oftmals synomyn verwendeten Begriffen Islamfeinlichkeit, Islamophobie und Antimuslimischer Rassismus wurde hier der Begriff der Muslimfeindlichkeit gewählt. Er macht die Schwerpunktsetzung auf die Menschenrechte deutlich. Es geht also nicht um die Religion als solche, sondern um Menschen, die in ihrem Anspruch auf Würde, (Glaubens-)Freiheit und Gleichberechtigung missachtet werden. Der zudem von Cakir (2014) vorgeschlagene Begriff Antiislamischer Ethnizismus verweist darauf, dass einerseits die “islamische Kultur” – und eben nicht Glaube oder Religionsausübung – als das zentrale unveränderliche Identitätsmerkmal angesehen wird, und die Frage, ob eine Person oder Gemeinschaft tatsächlich dieser Religion angehört oder sie ausübt, daher zweitrangig ist (ebd. S. 154f.).
Wie kann zwischen Muslimfeindlichkeit und Islamkritik unterschieden werden? Kritik an Vertretern islamischer Organisationen, an der Politik sich als islamisch gerierender Staaten oder terroristischer Gruppen ist berechtigt. Islamfeindlichkeit beginnt in dem Moment, wo der Islam als monolitisch und nur in einer bestimmten Weise auslegbar verstanden wird. Muslimfeindlichkeit beginnt da, wo Muslim*innen und Muslime aufgrund ihres Glaubens als der deutschen oder europäischen Kultur fremd verstanden werden. Muslimfeindlichkeit ist eine Variante der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF). Unter GMF versteht man Mentalitäten und individuelle Haltungen, die vermeintlichen Minderheiten zu scheinbar homogenen Gruppen konstruiert und deren Gleichwertigkeit und Recht auf Unversehrtheit infrage stellt. Bei der GMF werden zwölf Elemente von Menschenfeindlichkeit berücksichtigt: Neben Rassismus und Antisemitismus sieht der Ansatz der GMF gegenwärtig in Muslim- oder Islamfeindlichkeit einen wesentlichen Bestandteil der Ideologie der Ungleichwertigkeit in Deutschland.

Welche Materialien werden verwendet?
Um das Thema zielgruppengerecht aufzubereiten wurden multimediale Materialien ausgewählt. Zunächst wird in das Thema Diskriminierung eingeführt. Es werden Rollenkarten verwendet, um verschiedene Formen von Ausgrenzung und Diskriminierung in Deutschland zu verdeutlichen, die Menschen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung und/oder Hautfarbe potenziell erleben können. In dem Rollenspiel werden Mechanismen der Diskriminierung durchgespielt und anschließend diskutiert. Anhand von zwei Videoclips aus dem TV-Projekt „Zeit für Helden – Und was machst du?“ wird Muslimfeindlichkeit dargestellt und Handlungsoptionen der Zivilcourage diskutiert.

Weiterführende Literatur
Antidiskriminierungsstelle des Bundes: AGG-Wegweiser. Erläuterungen und Beispiele zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Wegweiser/agg_wegweiser_erlaeuterungen_beispiele.pdf?__blob=publicationFile

Bundeskoordination Schule ohne Rassismus-Schule mit Courage (2014): Handbuch Islam und Schule http://www.schule-ohne-rassismus.org/courage-shop/publikationen/

BpB (2004): Zivilcourage lernen. Analysen – Modelle – Arbeitshilfen http://www.bpb.de/shop/lernen/themen-und-materialien/37246/zivilcourage-lernen-analysen-modelle-arbeitshilfen

Cakir, Naime (2014): Islamfeindlichkeit. Anatomie eines Feindbildes in Deutschland, Bielefeld: Transcript Verlag

INKOTA-Netzwerk e.V. (Hg.) (2002). Vom Süden lernen. Erfahrungen mit einem Antidiskriminierungsprojekt und Anti-Bias-Arbeit. Berlin.

Foroutan, Naika (2012): Muslimbilder in Deutschland. Wahrnehmungen und Ausgrenzungen in der Integrationsdebatte. Friedrich Ebert Stiftung, Berlin. http://library.fes.de/pdf-files/wiso/09438.pdf

Deutsche Islam Konferenz (2012): Muslimfeindlichkeit – Phänomen und Gegenstrategien. Tagungsband. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/Gesellschaft-Verfassung/DIK/tagungsband_muslimfeindlichkeit.pdf?__blob=publicationFile

Groß, Eva et al. (2012): Von der Ungleichwertigkeit zur Ungleichheit: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de/apuz/130404/von-der-ungleichwertigkeit-zur-ungleichheit-gruppenbezogene-menschenfeindlichkeit?p=all

Shooman, Yasemin (2014): "... weil ihre Kultur so ist" - Narrative des antimuslimischen Rassismus, transcript, Bielefeld.

Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration: Jahresgutachten 2016 http://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2016/04/SVR_JG_2016-mit-Integrationsbarometer_WEB.pdf

Weitere Materialien für den Einsatz im Unterricht:
Ausstellung der BpB zum Thema Muslime in Deutschland mit Videoclips: http://www.wasglaubstdudenn.de/

Videoclip der BpB zu Muslimfeindlichkeit in Deutschland: http://www.bpb.de/mediathek/202424/muslimfeindlichkeit-begegnen

Islam I-V. Loseblattsammlung Islam. Materialeinheiten für den Unterricht der BpB http://www.bpb.de/shop/lernen/themen-und-materialien/

Was geht? Was glaubst Du? Das Heft zum Islam der BpB http://www.bpb.de/shop/lernen/was-geht/125817/was-glaubst-du-das-heft-zum-islam

Zivilcourage - Eingreifen statt zuschauen! Themenblätter im Unterricht (Nr. 8). http://www.bpb.de/system/files/pdf/ZMD6QN.pdf

Dieses Unterrichtsmodul ist im Projekt „Zwischentöne – Materialien für Vielfalt im Klassenzimmer“ in Kooperation zwischen dem Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung und der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) mit dem TV-Projekt „Zeit für Helden – Und was machst Du?“ entstanden.

 

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.